Mülheim. . Mülheimer Verbund appelliert an Betriebe in der Stadt, Lehrlinge einzustellen. Und an junge Leute, sich für eine Ausbildung zu entscheiden.
Der beschworene künftige Fachkräftemangel – nicht nur im Handwerk – man erkennt ihn an den Zahlen der Arbeitsagentur: Aktuell kommen, statistisch gesehen, in Mülheim 1,28 freie Ausbildungsstellen auf einen jungen Menschen ohne Lehrstelle. Aktuell sind 335 junge Leute ohne Ausbildungsplatz.
Der Ausbildungskonsens, ein seit Jahren in Sachen dualer Ausbildung aktiver Verbund von Handwerkerschaft, IHK, Arbeitsagentur, DGB, Unternehmerverband und dem Mülheimer U-25-Haus (Sozialagentur) appelliert zum Beginn des Ausbildungsjahrs an Betriebe, mehr auszubilden. Und an die Familien, gemeinsam zu überlegen, ob eine duale Ausbildung möglicherweise einem Studium vorzuziehen sei.
Große Auswahlmöglichkeiten
„20 Prozent der Studienanfänger brechen später ab“, so Dieter Hillebrand, Regionsgeschäftsführer des DGB Mülheim-Essen-Oberhausen. Die duale Ausbildung hingegen sei die „Eintrittskarte in die Arbeitswelt“ und alles andere als eine Sackgasse: ob Meisterschule, Selbstständigkeit oder Aufbaustudium folgen.
Nicht immer passen jedoch Wunsch und Wirklichkeit zusammen. Wer keinen Ausbildungsplatz als Mechatroniker bekommt, der wird sich nicht als Bäcker bewerben wollen. Und wer sein Abitur macht, wenn auch mit nur mäßigem Notenschnitt, interessiert sich meist gar nicht erst für eine betriebliche Ausbildung. Die große Auswahl an Ausbildungsmöglichkeiten machen es jungen Leuten besonders schwer, die richtigen Weichen für die berufliche Zukunft zu stellen. Wie findet man den Traumjob, in dem man seine echten Talente einsetzen kann?
Praktikum wird von Schülern oft nicht ernst genommen
Fragt man Thomas Krumey, Chef des Autohauses Krumey und Gilles, so wird die Antwort lauten: nur durch Praxis. Der Kfz-Betrieb bildet seit über 30 Jahren aus, vier Azubis lernen hier zeitgleich Mechatroniker (3) und Kaufmann (1). Wenn die Zeugnisse nach dem ersten Halbjahr der 10. Klassen verteilt sind, bekommt der Kfz-Meister viel Post. Manchmal sieht er da interessante Bewerber. Keine Schule habe sich bisher gesträubt, wenn er dann anfragte, ob ein vierwöchiges Praktikum in seiner Werkstatt möglich sei. „Die Schüler werden freigestellt.“
Bei Krumey und Gilles bekommen vorzugsweise diejenigen einen Ausbildungsplatz, die der Meister vorher schon einmal in der Werkstatt erlebt hat. Das Schulpraktikum, das wissen sie bei der IHK und auch beim Unternehmerverband, wird von den Schülern oft nicht ernst genug genommen als Möglichkeit, tatsächlich mal zu testen, ob die Vorstellung vom Traumjob der Wirklichkeit entspricht. Auch einen Ferienjob könnte man unter diesem Aspekt annehmen, wird geraten.
Arbeitgeber sollen zweiten Blick wagen
Die Arbeits- und die Sozialagentur appellieren auch an Arbeitgeber, mal den zweiten Blick zu wagen: Wenn die Noten nur im Durchschnitt liegen, das Bewerbungsschreiben nicht ganz so perfekt ist, sollte ein junger Mensch trotzdem eine Chance erhalten. „Ist nicht der persönliche Eindruck, die Motivation wichtig?“, fragt etwa Jürgen Koch, Chef der Arbeitsagentur.
Mit dem Instrument der Einstiegsqualifizierung etwa kann die Sozialagentur den Ausbildungsbetrieb neun Monate lang unterstützen. Die Zeit wird angerechnet, wenn sich ein Ausbildungsvertrag anschließt. Der Meister kann sich neun Monate ansehen, ob sich da ein neuer Kollege entwickelt. Thomas Krumey jedenfalls, der sich ohnehin nicht um zu wenige Bewerber für eine Ausbildung sorgen muss, hat damit schon „sehr gute Erfahrungen gemacht“.
>> Viele junge Menschen wollen Kaufleute werden
Zu den vier beliebtesten Ausbildungswünschen der noch nicht mit einer Lehrstelle versorgten 335 jungen Leute gehören Kaufmann/-frau im Büromanagement, Verkäufer/in, Kfz-Mechatroniker/in und Industriemechaniker/in.
Hier sind noch Ausbildungsplätze frei (Top 4): Verkäufer/in (40), Fachverkäufer/in Bäckerei (32), Kaufmann/-frau im Einzelhandel (26), Bachelor of Laws (Verwaltung (23). 429 Ausbildungsstellen sind noch zu haben.