Mülheim. Mülheim und Essen wollen die Bedienung der Buslinien für eine sehr lange Zeit an die Ruhrbahn vergeben. Nicht jeder findet das gut.
Es geht um ein Auftragsvolumen von etwa fünf Milliarden Euro, um einen Auftrag für 22,5 Jahre – die Ruhrbahn möchte weiterhin mit Bus und Bahn auf möglichst vielen Strecken die Mülheimer und Essener Bevölkerung ans Ziel bringen. Doch wie in der Vergangenheit läuft es diesmal nicht: Die direkte Vergabe an die Ruhrbahn durch die beiden Städte und den Verkehrsverbund VRR hat die Vergabekammer der Bezirksregierung gestoppt. Die Städte und der VRR gehen jetzt vor das Oberlandesgericht Düsseldorf, um den gigantischen Auftrag quasi im eigenen Haus zu halten.
Doch auch andere Unternehmen haben ein großes Interesse daran, etwas von dem Kuchen abzubekommen. Die Unternehmen Univers, Piccolonia und Via-Bus sind drei Nahverkehrsbetriebe, die gerne in den Markt der Ruhrbahn einsteigen und Linien übernehmen würden. Sie fühlen sich durch die Direktvergabe benachteiligt und halten den Städten vor, nur so verfahren zu wollen, um durch eine steuerliche Querfinanzierung zu profitieren: Die Verluste im Nahverkehr können mit den Gewinnen anderer städtischer Töchter verrechnet werden.
Stadtverwaltung ist bei der Vergabe zuversichtlich
„Die Rügen wurden von den Juristen des VRR sowie den uns beratenden Rechtsanwälten geprüft und als unbegründet bewertet. Dementsprechend wurden sie zurückgewiesen“, sagt der Nahverkehrsdezernent Peter Vermeulen. In der Stadtverwaltung gibt man sich zuversichtlich, dass die Vergabe letztlich klappt, wenn vielleicht auch mit Verzögerung.
Sicher ist das nicht: Die zuständige Vergabekammer in Münster führt unter anderem aus, dass die Ruhrbahn ja auch erhebliche Ausgleichsleistungen, sprich staatliche Beihilfen, erhalte, weil sie im Rahmen der Daseinsvorsorge auch Leistungen erbringe, die wirtschaftlich sonst nicht rentabel wären. „Damit werden diese Leistungen auch für private Busunternehmen interessant, weil sie durch diese Ausgleichszahlungen die geforderten Leistungen ebenfalls kostendeckend und betriebswirtschaftlich sinnvoll anbieten können.“
Hat die Ruhrbahn das Gutachten beeinflusst?
Insofern sollten durch die Vergabeordnung gerade auch mittelständische Unternehmen berücksichtigt werden, so die Kammer. Das bedeutet: Entweder erhält man eine Dienstleistungskonzession und bekommt keinen Zuschuss oder man bekommt das Risiko abgenommen, dann muss die Leistung aber auch ausgeschrieben werden.
Daran hat die Ruhrbahn offensichtlich kein Interesse. Inzwischen gibt es sogar den Verdacht, dass im Haus der Ruhrbahn aktiv an der Vergabekonzeption mitgearbeitet worden ist. Dabei geht es um die Frage: Hat die Ruhrbahn das Gutachten für eine direkte Vergabe bestellt, beeinflusst oder gar sogar noch bezahlt? Die Ruhrbahn teilt dazu mit, dass noch die damalige Via Verkehrsgesellschaft (Via) als Unternehmen der Städte Duisburg, Essen und Mülheim die Vorbereitungen zur Direktvergabe für die beteiligten Städte und deren Verkehrsgesellschaften übernommen habe. Die Via habe schließlich den Auftrag für das Gutachten erteilt, wiederum im Auftrag und in Abstimmung mit den Städten und ihren Verkehrsgesellschaften.
In Verträgen festgeschrieben
Einer, der sich seit Jahren für mehr Transparenz für die Vergaben an Nahverkehrsunternehmen und für mehr Qualität einsetzt, ist der Essener Unternehmensberater Wolfgang Meyer. „Mit der Vergabe im Hinterzimmer muss endlich mal Schluss gemacht werden“, sagt Meyer im Gespräch mit dieser Zeitung. Meyer war in den 90er Jahren Geschäftsführer der Evag, später Chef des Verkehrsunternehmens Abellio. Heute ist er Geschäftsführer des Unternehmens Linearis, das Verkehrsunternehmen beim Eintritt in neue Märkte berät. Für Meyer steht fest: „Mit einer Ausschreibung könnte sich der durchsetzen, der den besten Service und die beste Linienplanung liefert und dazu wirtschaftlich am besten fährt.“
In Mülheim täten Verbesserungen in allen drei Bereichen gut. Nach wie vor fährt die Ruhrbahn in Mülheim jährlich locker 30 und mehr Millionen Euro Miese ein, der Service erhält keine guten Noten. Private Anbieter könnten vieles besser, ist Meyer überzeugt und nennt Beispiele aus dem Rhein-Erft-Kreis.
Meyer versteht die Monopolstruktur nicht
Dass Arbeitsplätze gefährdet sein könnten, hält er für abwegig, ebenso die Mär von Lohndumping oder die Vorstellung von klapprigen Fahrzeugen, die Private einsetzen würden. „In Verträgen steht, welche Standards geliefert werden müssen.“ Die Festschreibung von Monopolstruktur, wie es die Städte mit der Direktvergabe über 22,5 Jahre planen, kann Meyer gar nicht nachvollziehen. Anderswo werde bei noch viel größeren Auftragsvolumina in deutlich kürzeren Zeiträumen gehandelt.
Meyer hat eine Erklärung zumindest dafür, warum sich die Städte dem Markt nicht weiter öffnen und die Ruhrbahn alles dafür tut, um Fremde vom Markt fernzuhalten: „Es geht um den Erhalt des großen Verwaltungsapparates bei der Ruhrbahn.“