Mülheim. . Gerlind Merten engagiert sich als „Oma Gigi“ für Kinder im Saarner Flüchtlingsdorf. Dafür bekam die 75-Jährige jetzt einen Multi-Kulti-Preis.
Jährlich wird in Nordrhein-Westfalen ein Multi-Kulti-Preis verliehen, von einem Verein namens Multikulturelles Forum. Dieser hat sich 1985 gegründet, um Migranten im Land zu fördern, beruflich, sozial und politisch. Der Preis wird vergeben, um vorbildliches Engagement sichtbar zu machen, das, so betont der Verein, „meist im Stillen“ geleistet werde, oft unbemerkt bleibe.
Für die Arbeit von Gerhild Merten trifft dies sicher zu, darum wurde der Mülheimerin diesmal ein Sonderpreis zuerkannt, verbunden mit 750 Euro. Die 75-Jährige, die meist als „Oma Gigi“ unterwegs ist, muss nicht lange überlegen, wie sie das Geld verwenden will. „Mein Vorrat an Stiften, Malfarben, Bastelmaterial wird aufgestockt.“ Sie kauft ein für Kinder, um die sie sich an vielen Stellen in der Stadt kümmert, häufig bei Festen oder in Flüchtlingsunterkünften. Für sich selber braucht sie nicht viel.
40 Kinder und Jugendliche im Dorf
Als preiswürdig vorgeschlagen hat sie Denis Kucza, der als Erzieher im Saarner Flüchtlingsdorf arbeitet. Letzter Verbliebener aus einem pädagogischen Team, das zeitweise zehn, elf Mitarbeiter hatte, wie er berichtet. Allerdings hat sich auch die Zahl der Bewohner in den schlichten Holzhäusern stark reduziert: Wo fast 600 Leute Platz hätten, leben noch 120 Menschen verschiedenster Nationalitäten, davon ein Drittel Kinder und Jugendliche, berichtet der Erzieher. Noch nicht alle haben einen Kita-Platz oder besuchen die Schule, alle verbringen den Großteil ihrer Freizeit auf dem umzäunten Platz. Da kommt das Angebot von Gerhild Merten sehr gelegen.
Vor zweieinhalb Jahren habe sie erstmals die Pforte durchschritten, erinnert sich Oma Gigi: „Ich bin hier einfach reingelatscht, mit einer Frau vom Flüchtlingsrat, und habe gesagt: ,Macht was für die Kinder!’“ Bis heute zieht sie jeden Dienstagnachmittag ihren verschlissenen braunen Trolley aufs Gelände, in dem Bastelutensilien und kleine Geschenke stecken, angeschafft von Spenden oder der eigenen bescheidenen Rente.
„Ich frage die Kinder nie, wo sie herkommen.“
Wenn sie anrollt, spricht sich das unter den Kindern schnell herum. „Oma Gigi!“ Einer nach dem anderen kommt herbei gelaufen, ins bunte Kinderzimmer, das hier eingerichtet wurde. Bald ist sie umringt von Mädchen und Jungen wie Orgelpfeifen, „von den Pampers angefangen bis zu den Großen“, wie sie sagt. Fast alle könnten schon Deutsch. Eines aber macht sich Oma Gigi zum weisen Grundsatz: „Ich frage die Kinder nie, wo sie herkommen. Vielleicht hätte ich sonst Vorurteile, weil einige gar nicht hier sein dürften.“
Oma Gigi war hier auch schon als Nikoläusin im Einsatz und hat eine Karnevalsparty organisiert, wofür sie Fachfrau ist, denn sie lebte lange in Köln, ehe sie vor zehn Jahren nach Mülheim zog, in die Nähe ihrer Tochter. Von Beruf sei sie eigentlich Sozialarbeiterin, sagt Gerhild Merten, habe unter anderem bei der Treberhilfe am Kölner Hauptbahnhof gearbeitet, „mit gestrandeten Jugendlichen“.
Auch viele Kinder im Flüchtlingsdorf sind quasi gestrandet. „Ich bin aber nicht hier, damit sie mir ihre traurigen Geschichten erzählen können“, sagt Oma Gigi. „Nur wenn sie wollen...“ Es gebe auch selten richtigen Streit unter den Kindern, sagt Gerhild Merten: „Sie haben Respekt vor mir.“
>> Multi-Kulti-Preis ehrt besonderes Engagement
Der Multi-Kulti-Preis wird seit 2005 vergeben durch das multikulturelle Forum e.V., das seinen Sitz in Lünen hat. Teilnehmen können Initiativen, Einrichtungen oder Einzelpersonen aus Nordrhein-Westfalen, die sich für multikulturelles Miteinander besonders engagieren.
Der Hauptpreis, dotiert mit 1500 Euro, geht in diesem Jahr an den Verein Train of Hope in Dortmund. Ausführliche Infos auf www.multikulti-forum.de.