Mülheim. . Die 43. Stücke-Tage gehen vom 12. Mai bis zum 2. Juni über die Bühne. Sieben Autoren befassen sich in ihren Texten mit Themen der Gegenwart.

Sieben Autoren sind mit ihren Uraufführungen für den Dramatikerpreis nominiert. Sie richten ihren Blick auf aktuelle Diskurse und gesellschaftliche Umbrüche. Denn die 43. Theatertage drehen sich vom 12. Mai bis 2. Juni um unterschiedliche gesellschaftsrelevante Themen.

Die Autoren befassen sich mit Fragen der Gegenwart – und der Zukunft. So wie der Syrer Ibrahim Amir, der die Uhr in „Homohalal“ nach vorne dreht ins Jahr 2037. Wie sieht das, was heute „Flüchtlingskrise“ heißt, 20 Jahre später aus? In Dresden treffen sich gute alte Freunde aus dem einstigen „Mittwochscafé“ zu einer Beerdigung wieder. In „Homohalal“ ist niemand so, wie sich das Helferklischee die Integrationswelt schönmalt. Regisseurin Laura Linnenbaum vom Staatsschauspiel Dresden inszeniert das Stück mit viel schwarzem Humor.

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Hauptmann-Milieustudie in neuem Gewand

Der ehemalige Stücke-Preisträger Ewald Palmetshofer, seit 2015 Dramaturg am Theater Basel, überträgt das Sozialdrama „Vor Sonnenaufgang“ von Gerhart Hauptmann auf die Neuzeit. Erschienen im Jahr 1889, befasste sich Hauptmann mit den Umbrüchen der damaligen Zeit – eine kritische Milieustudie. Palmetshofer ordnet die Figuren neu und fügt sie in eine andere Geschichte: in eine Unternehmerfamilie, über der Unheil hereinbricht.

Rebekka Kricheldorfs „Fräulein Agnes“ ist eine Misanthropin sondergleichen. Die Bloggerin hetzt gegen Pärchen wie Singles und schafft es sogar, die CD ihres eigenen Sohnes zu zerreißen. Damit wirft die Autorin Fragen nach Preis und Lohn zwanghafter Ehrlichkeit auf, gepaart mit grandiosem Sprachwitz, den Regisseur Erich Sidler mit dem Göttinger Ensemble in Szene setzt.

Elfriede Jelineks kritische Selbstbefragung

Stücke-Dauergast Elfriede Jelinek knüpft in „Am Königsweg“ ebenso an aktuellen Themen an. Es geht um den narzisstischen Twitterkönig im Weißen Haus, der das ihm anvertraute Staatswesen mit einer Immobilie verwechselt. „Am Königsweg“ ist aber auch eine kritische Selbstbefragung der Autorin: „Was kann ich mit meinen Texten noch erreichen?“ Das Deutsche Schauspielhaus Hamburg setzt den Text opulent in Szene: Griechische Säulen, gekrönte Löwen und ein goldenes Pferd stehen dicht gedrängt, während auf einer Leinwand Videoschnipsel zum Weltgeschehen der letzten Jahrzehnte vorbeirasen.

Maria Milisavljevic widmet sich in „Beben“ den egozentrischen Figuren, die den Neuen Medien entspringen – und konfrontiert diese mit einer neuen, brutalen Realität. Über Plot-Schnipsel im Stil einer Facebook-Zeitleiste legt Milisavljevic weitere Zeit- und Erzählspuren. Die werden nach Bedarf hoch- und runtergefahren, vor- und zurückgespult. Da wird jemand von Schuld gebeutelt oder von Trauer. Eine Kontrollinstanz zwingt zum Weiterleben. Inszeniert vom Theater und Orchester Heidelberg.

Der Karrieresprung eines manisch Depressiven

Thomas Melle arbeitet sich in „Versetzung“ an seiner eigenen Krankheitserfahrung ab. Die Hauptfigur Ronald Rupp soll zum Schuldirektor befördert werden. Es läuft gut für ihn. Doch vor über zehn Jahren wurde ihm eine bipolare Störung diagnostiziert. Auch wenn er seit Jahren stabil ist, wird ihm dies an der Schwelle zum Karrieresprung zum Verhängnis. Thomas Melle beschreibt präzise die Spaltung der Wirklichkeit eines manisch Depressiven. Schließlich fragt sich nicht nur Rupp, sondern auch das Publikum, was eigentlich wahr ist. Inszeniert vom Deutschen Theater Berlin.

„Paradies spielen (Abendland. Ein Abgesang)“ ist der dritte Teil der Klimatrilogie von Thomas Köck. Die Erde wird zur Eiswüste. Ein Zug rast ungebremst durch die Reste der Zivilisation. Die letzten Menschen im „ewigen ICE der Spätmoderne“ schwanken zwischen Verzweiflung und Verdrängung. Wenn man die Klimakatastrophe lange genug ausblendet, kommt sie eben plötzlich. Regisseurin Marie Bues kombiniert in ihrer Mannheimer Uraufführung drei Erzähl- und Spielweisen zum Porträt einer Weltgesellschaft im kapitalistischen Geschwindigkeitsrausch.

>> DRAMATIKER-PREIS MIT 15 000 EURO DOTIERT

Die Stücke werden in der Stadthalle und im Theater an der Ruhr aufgeführt. Nach den Vorstellungen lernen Zuschauer Autoren und Ensembles bei moderierten Publikumsgesprächen kennen.

Die öffentliche Jury-Diskussion zur Vergabe des mit 15 000 Euro dotierten Dramatikerpreises findet am Samstag, 2. Juni, ab 20.45 Uhr, im Theater an der Ruhr statt.

Karten kosten zwischen 24 und 37 Euro. Erhältlich sind diese unter 0180/670 07 33 (0,20 Euro/Anruf, Mobilfunkpreis max. 0,60 Euro) oder in der Touristinfo im Medienhaus, Synagogenplatz 3, 960 960. Vom 14. bis 18. Mai starten parallel die Kinderstücke: www.kinderstücke.de

Der Spieplan:Samstag, 12. Mai, 19.30 Uhr
Stadthalle, Theatersaal
Ewald Palmetshofer
Vor Sonnenaufgang
Theater Basel

Samstag, 19. Mai, 19.30 Uhr
Stadthalle, Theatersaal
Ibrahim Amir
Homohalal
Staatsschauspiel Dresden

Montag, 21. Mai, 19.30 Uhr
Stadthalle, Theatersaal
Rebekka Kricheldorf
Fräulein Agnes
Deutsches Theater Göttingen

Samstag, 26. Mai, 19.30 Uhr
Stadthalle, Theatersaal
Elfriede Jelinek
Am Königsweg
Deutsches Schauspielhaus Hamburg

Sonntag, 27. Mai und Montag, 28. Mai, jeweils 19.30 Uhr
Theater an der Ruhr
Maria Milisavljevic
Beben
Theater und Orchester Heidelberg

Donnerstag, 31. Mai, 19.30 Uhr
Stadthalle Theatersaal
Thomas Melle
Versetzung
Deutsches Theater Berlin

Freitag, 1. Juni, 19.30 Uhr und Samstag, 2. Juni, 18 Uhr
Theater an der Ruhr
Thomas Köck
Paradies spielen (Abendland. Ein Abgesang)
Nationaltheater Mannheim