Mülheim. . Aufwind für Arbeitnehmerorganisationen: Mit satirischen Einlagen und mahnenden Worten schrieben sie der Politik Hausaufgaben ins Koalitionsheft.
„Wir kämpfen für eine Politik, die endlich den Aufbruch wagt hin zu mehr Solidarität, guter Arbeit und Gerechtigkeit“ – mit breiter Brust hat die Gewerkschaft der Groko zum Tag der Arbeit die politischen Hausaufgaben für die kommende Amtszeit aufgegeben. Gut 700 Menschen kamen zur traditionellen Kundgebung auf den Mülheimer Rathausmarkt.
„Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit“, lautete das diesjährige Motto zum ersten Mai. Der frische Wind unter den „Kolleginnen und Kollegen“ war auf dem Rathausmarkt deutlich zu spüren – es ist der Aufwind durch die bemerkenswert erfolgreichen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sowie in der Metall- und Elektroindustrie. Und der schlug auch der versammelten lokalen Politprominenz von der Bühne entgegen: Erst dirigierte ein Gewerkschaftler zu Peter Maffays „Du“ die drei großen Pappbuchstaben D, P, S zur S – P – D. „Du bist das Mädchen, das zu mir gehört.“
Satirische Liebeserklärung
Der satirischen Liebeserklärung an die Sozialdemokratie setzte dann eine Gruppe mit der „Entschuldigung eines alten Sozialdemokraten“ des Liedermachers Franz-Josef Degenhardt nach: „Ich sag dir so geht das nicht, sagt der Sozialdemokrat und spricht – bloß ändern das will er nicht.“ Mit kritischen Worten ermahnte der stellvertretende Bundesvorsitzende der IG-Bau Dietmar Schäfers anschließend die große Koalition: „Was wir nicht brauchen, ist ein Bundesheimatministerium und einen Gesundheitsminister, der die Gesellschaft spaltet. Wir brauchen eine Politik, die den Menschen wieder soziale Sicherheit, Vertrauen und Perspektiven gibt.“
Vor allem Investitionen gegen Altersarmut, schwindende Infrastruktur und unterwanderte Tarifstandards forderte der Gewerkschaftler. Das Rentenniveau etwa müsse auf 48 Prozent eingefroren und perspektivisch auf 50 Prozent angehoben, der soziale Wohnungsbau müsse jährlich 70 000 Wohnungen bauen und gebe dafür 1,5 Milliarden Euro aus – der Betrag müsse über 2019 hinaus fortgeschrieben werden, schrieb Schäfers der Groko ins Aufgabenheft.
Neues Selbstbewusstsein „der Straße“
Mehr Jobs im öffentlichen Dienst sollen das möglich machen und den Planungs- und Vergabestau abbauen. „Mit einer schwarzen Null kann man nichts für das Gemeinwohl bauen. Wir wissen: Eine gerechte Sozial-, Wirtschafts- und Steuerpolitik ist ein Baustein, um den braunen und rechtspopulistischen Volksverblendern den Boden zu entziehen.“ Starke Gewerkschaft – schwache Sozialdemokratie? Schäfers sieht zumindest ein neues Selbstbewusstsein „der Straße“ aufkeimen.
Wegen eines Trauerfalls nahm Oberbürgermeister Ulrich Scholten nicht an der Kundgebund teil. Die Kommunalpolitik auf dem Rathausplatz hörte aber gut zu: „Wir haben die Themen, die wir lokal angehen können, auf unserer Agenda“, verspricht der SPD-Stadtverordnete Daniel Mühlenfeld.
Kommune nicht kleinsparen
Die Mülheimer Genossen wollen etwa der sachgrundlosen Befristung von Verträgen bei der Stadt nachgehen. Auch sei die Belegschaft der Stadtverwaltung deutlich zu klein ausgestattet, um die Anforderungen an die Kommune zu stemmen – hinzu komme die Überalterung des Personals aufgrund des Stellenabbaus und des mangelnden Nachwuchses. Man dürfe aber die Kommune nicht auf Gedeih und Verderb kleinsparen, forderte Daniel Mühlenfeld. Es sei sonst kein Wunder, wenn Leistungen nicht in der gewünschten Geschwindigkeit erbracht würden.
>>>INFO: „DIGITALISIERUNG MUSS MEHRWERT FÜR MENSCHEN HABEN“<<<
Klare Worte fand auch der DGB Stadtverbandsvorsitzende Klaus Waschulewski zum Thema Digitalisierung: „Sie darf keinen Wert an sich darstellen, sie muss einen Mehrwert für die Menschen bedeuten.“
Zwar begrüße der DGB den Ausbau der digitalen Infrastruktur zur Steigerung der Attraktivität des Standortes und die Ansiedlung von Start-ups, doch die Menschen müssten dabei im Blick behalten werden.