Ickten/Kettwig. . Die Familie im Brahm könnte ihren Schweinemastbetrieb erweitern. Aber es gibt gesellschaftliche Bedenken. Der Sohn setzt auf Freilandhaltung.
Jahrelang hat Einhart im Brahm darum gekämpft, seinen Schweinemastbetrieb an der Mendener Straße unweit der Ruhrtalbrücke ausbauen zu dürfen. Die Genehmigung vom Umweltamt lag bereits Ende 2012 vor, doch mehrere Nachbarn gingen gerichtlich dagegen vor (wir berichteten). Seit Herbst 2017 sind alle Rechtsstreitigkeiten abgeschlossen, der Landwirt dürfte erweitern: von knapp 700 auf gut 2400 Tiere. Er tut es vorerst aber nicht, sagte gestern Sohn Alexander im Brahm.
Man wolle abwarten, wie sich die neue Regierung positioniert, welcher Wind in puncto konventionelle Landwirtschaft künftig weht – erst dann entscheiden, wie es weitergeht. „Derzeit ist es gesellschaftlich einfach nicht mehr so angesagt, einen konventionellen Maststall zu bauen.“ Dementsprechend habe man noch keine Firmen beauftragt, werde in 2018 garantiert nicht tätig. Im Brahm junior geht derweil neue Wege, setzt auf Freilandhaltung, auf eine Alternative zum herkömmlichen Betrieb.
450 Ferkel der robusten Alten Deutschen Landrasse
Das Geschäftsmodell des 22-Jährigen, der an der Landsberger Straße in Essen-Kettwig lebt und arbeitet, trägt das Label „Ruhrtaler Freilandschwein“. 450 Ferkel der mittlerweile seltenen und recht robusten Alten Deutschen Landrasse werden im Alter von zehn Wochen und mit rund 25 bis 30 Kilogramm Körpergewicht angeliefert. Für ein halbes Jahr dürfen sie ein artgerechtes Leben führen: sich unter freiem Himmel auf der Wiese im Matsch suhlen, mit Artgenossen kuscheln und rangeln, im Stroh dösen, nach Herzenslust fressen. Da sie mehr Platz und Beschäftigung haben als die meisten Schweine, behalten sie ihre Ringelschwänzchen. In normalen Ställen werden diese zumeist amputiert, da andernfalls die Gefahr besteht, dass die Tiere sie sich untereinander abbeißen, sich schwer verletzen.
Kunde zahlt vielleicht zehn Prozent mehr
Im Brahm verwendet gentechnikfreies Futter, setzt Antibiotikum nur ein, falls ein Tier erkrankt. Mit sieben bis acht Monaten und einem Gewicht von rund 120 Kilogramm endet das vergnügliche Leben auf einem Naturschlachthof in Wachtendonk. Die Metzgereien Jakob in Saarn und Nieß in Heißen haben das Fleisch letztlich im Angebot. „Acht Schweine nehmen sie im Schnitt pro Woche ab“, berichtet im Brahm. Der Endkunde, so schätzt er, zahle dafür vielleicht zehn Prozent mehr als für andere Waren der Fleischereien.
Im Brahm, der eine Ausbildung zum Landwirt gemacht hat und aktuell in Osnabrück Landwirtschaft studiert, hat sein Konzept nach einem Praktikum auf einem Bauernhof in England erarbeitet. „Bei denen ist die Freilandhaltung schon weiter verbreitet als bei uns.“ Im November 2017 ist er an den Start gegangen. Gemeinsam mit Freundin Theresa Ostermeier, 25 Jahre und ebenfalls Studentin, will er zunächst für ein Jahr ausloten, ob der Markt groß genug ist, um davon auf Dauer leben zu können.
Das Paar genießt es, das Borstenvieh zu beobachten. Es mache „Spaß zu sehen, dass die Tiere ihre natürlichen Instinkte besser ausleben können als bei herkömmlicher Haltung“, so im Brahm. Konventionelle Landwirtschaft, wie der Vater und der ältere Bruder sie betreiben, habe aber nach wie vor ihre Berechtigung, betont er. „Das Ruhrtaler Freilandschwein ist ein Nischenprodukt, für Menschen, die bereit sind, entsprechend mehr Geld auszugeben.“ Die Nachfrage nach billigem Fleisch werde nicht abebben, und was nicht vor Ort produziert werde, komme aus dem Ausland, wo oft deutlich schlechtere Bedingungen herrschten.
700 Schweine leben auf Betonboden
Auch künftig macht die Mast auf Betonboden im hochautomatisierten Stall also das Hauptgeschäft der im Brahms aus: 700 Schweine wachsen so im noch nicht erweiterten Stall an der Mendener Straße in Ickten heran, weitere gut 1300 Schweine auf dem Kettwiger Hof – in unmittelbarere Nachbarschaft zum Freilandschwein.