Mülheim. . Nach Jahrzehnten werden Häuser an Kleiststraße und Amundsenweg abgerissen. Die Hälfte der Mieter hat neue Wohnungen gefunden. Andere bangen noch.

Um die „sehr, sehr gute Hausgemeinschaft“ tut es Dieter Hinderks am meisten leid. Die Bewohner der Kleiststraße 1 b schätzen das freundliche Wort im Treppenhaus, die bereitwillige Hilfe im Alltag. Die nette Nachbarschaft ist bald passé, das schmerzt. Ende November hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft SWB den Bewohnern von drei Häusern an der Kleiststraße und zweien am Amundsenweg eröffnet, dass abgerissen und neu gebaut wird.

Dieter Hinderks und seine Familie, die den Auszug bereits in dieser Woche hinter sich gebracht haben, sind darüber nicht mehr nur traurig. Ihr neues Zuhause an der Julius-Leber-Straße hat 30 Quadratmeter mehr als das alte und liegt noch immer im geliebten Stadtteil. „Und wir hatten sowieso schon mal überlegt umzuziehen.“ Anfangs sei man „sprachlos“ gewesen über die unerwarteten Pläne und auch „ein bisschen ärgerlich“, weil gerade erst neue Möbel angeschafft worden waren. „Dann aber konnten wir uns damit anfreunden.“

SWB hat nur von einer Person Anwalts-Post bekommen

Die Zusammenarbeit mit der SWB war zunächst „träge“, wurde dann „sehr gut“. Die erste Wohnung, die als Ausweichquartier angeboten worden war, sei „qualitativ deutlich schlechter gewesen als die alte“, so der 33-Jährige, „die zweite aber hat uns direkt zugesagt.“ Er wisse allerdings von „Leuten, bei denen das mit der Wohnungssuche nach wie vor schwierig ist, schleppend läuft“. Er habe „manch negativen Kommentar gehört“.

Von Unmut in größerem Stil ist bei der SWB nichts angekommen. „Wir haben nur von einer Person Post vom Anwalt bekommen“, berichtet Sprecherin Christina Heine. „Ansonsten läuft’s gut.“ Kurz nach der Infoveranstaltung im November, bei der die 65 Mietparteien über den Abriss informiert worden waren, habe man im Quartier ein Büro für Gesprächstermine errichtet. Man spreche ja nicht nur Kündigungen aus, man kümmere sich, höre zu, stelle Ersatzwohnungen bereit, bezahle den Umzug. „Wir haben eine Kollegin, die sich ausschließlich mit diesem Umzugsmanagement befasst, andere unterstützen sie“, so die 37-Jährige.

8479 Wohnungen hat die SWB in Mülheim

8479 Wohnungen hat die SWB stadtweit, in allen Größen und Preiskategorien, zum Teil öffentlich gefördert. Für manchen bedeute der Umzug wahrlich eine Verbesserung; rund die Hälfte der Mieter hätten Alternativangebote aus dem eigenen Bestand rasch angenommen. Auch der Friseur, das Sportstudio und die Tagesmutter, die am Amundsenweg angesiedelt waren, seien zwischenzeitlich anderweitig untergekommen. Für 27 Parteien sei man noch auf der Suche. Bis Oktober müssen Lösungen her, dann fallen die Häuser. „Doch bloß keine Sorge, wir lassen keinen im Regen stehen“, verspricht Heine.

Der Abriss sei übrigens Ultima Ratio gewesen: „Wir haben vor Ort kein Entwicklungspotenzial mehr gesehen; die Häuser sind energetisch nicht zu sanieren.“ Bei zusätzlicher Dämmung würden die kleinen Balkone noch winziger. Zudem seien die Grundrisse ungünstig, die Küchen zum Teil sehr klein, die Bäder in einigen Fällen sogar Durchgangszimmer. Und Barrierefreiheit gebe es schon mal gar nicht.

Umzug machte auch Mieter zufriedener

Die ist für Rizeda Peterson aus dem Erdgeschoss der 3 a besonders wichtig. Ihr Mann (78) ist nach drei Schlaganfällen schwerbehindert und auf den Rollstuhl angewiesen. Dass die Türen in der neuen, von der SWB vermittelten Wohnung sehr breit sind, freut die 65-Jährige daher. Die Unterkunft am Humboldthain – die nach 18 Jahren Kleiststraße ab April das neue Zuhause sein wird – sei „viel besser“, da 14 Quadratmeter größer und mit deutlich schönerer Küche. „Ich bin wirklich zufrieden.“

Auf vergleichbare Glücksmomente warten unterdessen noch die 87-jährige Marianne Lannewers, die 61 Jahre in der 1 b gewohnt hat und ebenfalls von der „unvergleichlichen Hausgemeinschaft“ schwärmt, sowie Ilse Lork und ihr Mann. Sie hätten wunderbare Jahre in Haus 1 gehabt, erzählt die 74-Jährige. „Wenn ich alte Bilder angucke, denke ich oft: Wie schön war das hier.“ Heute kümmere sich kaum noch einer um den Garten, die Nachbarn wechselten schnell. Der Auszug, der Abriss – sie täten daher nicht mehr so weh.

<<< FÜNF NEUE HÄUSER BIS SOMMER 2020

Mit dem Abriss der fünf Gebäude soll im Herbst begonnen werden, schon jetzt stehen Wohnungen leer, wie unschwer von außen zu erkennen ist. Die SWB will an gleicher Stelle fünf neue Mehrfamilienhäuser errichten – mit insgesamt 101 Wohnungen. Diese sollen zwei bis fünf Räume haben, also Singles, aber auch großen Familien Platz bieten.

Damit die Mieten für viele Menschen bezahlbar sind, sollen rund 50 Prozent der Wohnungen öffentlich gefördert werden. Alle Einheiten sollen selbstverständlich barrierefrei zugänglich sein.

Der Beginn des 23-Millionen-Euro-Projekts ist für Frühjahr 2019 vorgesehen, die Fertigstellung für Sommer 2020.