mülheim. . Die gestrichenen fünf Millionen Euro sollen möglichst ohne Auswirkungen auf die Bürger ausgeglichen werden. Kämmerer Frank Mendack ist skeptisch.

Die Mitglieder des Rates sind geschockt. Wegen massiver Gewerbesteuerverluste musste Stadtkämmerer Frank Mendack eine Haushaltssperre verhängen. Das bedeutet: Die Stadt kann zurzeit nur ihre Pflichtaufgaben erledigen. Die Mehrheit der Parteienvertreter wertet den Ausgabenstopp als klares Signal, noch strenger zu sparen. Sie hoffen auch auf Entlastung aus dem Bundeshaushalt.

Klamme Städte müssten „endlich von den drückenden Schulden, die sie nicht selbst verursacht“ hätten, befreit werden. Mülheim müsse handlungsfähig bleiben. Den Sparkommissar will keiner im Rathaus.

„Die Stadt konnte von den finanziellen Auswirkungen der Aldi-Investitionen nicht früher wissen“, betont Mendack. Im Gegenteil: Die Information, dass Mülheim für die Jahre 2016, 2017 und 2018 kaum mit Gewerbesteuern von Aldi Süd rechnen kann, sei früher gekommen als nötig. „Ohne partnerschaftliche Information von Aldi Süd hätte uns das erst im Herbst erreicht“, sagt Mendack im Gespräch mit der Redaktion. Dass Aldi die Steuerrückzahlung für alle drei Jahre gebündelt geltend macht, sei ebenfalls nicht unüblich.

„Ich glaube nicht, dass das reicht“

Wegen der frühen Warnung konnte die Stadt schnell reagieren. Die Ausgabensperre greife sofort auf den laufenden Haushalt, so der Kämmerer. Diese Sperre verdonnert die gesamte Verwaltung nun dazu, in diesem Jahr zusätzliche fünf Millionen Euro einzusparen.

Jedes Dezernat muss all seine Bereiche auf weitere Sparmöglichkeiten durchleuchten. Zunächst soll der Rotstift intern, also innerhalb des Rathauses, angesetzt werden. „Priorität haben die Projekte, die keine Auswirkungen auf die Bürger haben“, sagt der Kämmerer. Er fügt aber sofort hinzu: „Ich glaube nicht, dass das reicht.“

Wahrscheinlich fehlen bald noch viele Millionen mehr in der Stadtkasse. Darum dürften das harte Sparen demnächst auch die Mülheimer spüren. Die Sanierung einiger Straßen oder Gebäude könnte in die nächsten Jahre verschoben, die Pflege von Grünanlagen und Parks weiter ausgedünnt werden. „Die Bürger müssen sich darauf einstellen, dass bestimmte Instandsetzungen nicht gemacht werden, die rechtlich nicht vorgegeben sind“, erklärt der Kämmerer.

Die Ratsparteien stützen die Haushaltssperre

Andererseits gibt der städtische Finanzchef eine Entwarnung: Die Stadt werde jetzt nicht an der Gebührenschraube drehen und ihre Bürger noch mehr zur Kasse bitten. Das gelte auch für den Offenen Ganztag.

„Es geht ausschließlich um Einsparungen“, betont Mendack. Auch einzelne Posten aus dem Gutachten der Gemeindeprüfungsanstalt stünden innerhalb dieser außerplanmäßigen Sparrunde nicht zur Debatte.

Über weiteres Sparen der Stadt muss der Rat entscheiden.

Und die Ratsparteien stützen die Haushaltssperre. „Dies ist ein klares Signal an Stadtspitze und Rat zu weiteren Sparanstrengungen und gegen immer neue Ausgabe-Forderungen“, stellen CDU-Fraktionsvorsitzende Christina Kaldenhoff und ihr Stellvertreter Heinz Borchardt fest. Es sei nach Informationen im Hauptausschuss deutlich geworden, wie verwundbar der Mülheimer Haushalt besonders bei Gewerbesteuereinnahmen (bisherige Kalkulation für 2018: 124,4 Millionen Euro) sei. Ständig drohten Schwankungen in zweistelliger Millionenhöhe. Damit sei keine Planungssicherheit für den Etat gegeben.

„Das ist nicht das Ende“

Auch das von der Ratsmehrheit erzwungene Drehen an der Steuerschraube in der „Höchststeuerkommune Mülheim“ helfe nicht weiter. Es sei für den Standort eher wettbewerbsschädlich und werde „auf dem Rücken vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen ausgetragen“, meint die CDU-Spitze. Daher sollten sich andere Fraktionen am Sparen beteiligen.

„Das ist nicht das Ende. Wir werden auch schmerzliche Entscheidungen treffen, wenn es sein muss“, sagt Dieter Spliethoff, Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion. Das Planen rund um Flughafen oder Mannesmanngelände bringe erst in Jahren Einnahmen. „Kurzfristig müssen andere Lösungen für Gewerbeansiedlungen greifen“, ergänzt Planungssprecher Claus Schindler. Die SPD setzt auch auf Hilfen vom Bund.

Grüne fordern vom Bund eine verlässlichere Finanzierung

Für die Grünen ist die Gewerbesteuer eine unstete kommunale Einnahmequelle. „Es ist an der Zeit“, fordert Fraktionssprecher Tim Giesbert, „dass der Bund eine verlässlichere Finanzierung für die Städte und Gemeinden schafft.“ Bei aller Freude darüber, dass Aldi Süd in Mülheim investiere, sei aber nicht anzunehmen, dass Aldi auf die steuerliche Absetzung freiwillig verzichte. So sei nun eine weitere Sparrunde angesagt. Jetzt beginne wieder Sisyphosarbeit, so Giesbert.

„Das einst reiche Mülheim hat heute die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller NRW-Großstädte und hatte im letzten Jahrzehnt das höchste Verschuldungstempo aller deutschen Großstädte.“, zitieren die MBI die Bertelsmann-Stiftung. Die Finanzlage der Stadt sei „seit Jahren gesetzwidrig“.

>>> Gesetzlich erlaubt
Städte wissen nicht, wie hoch die Steuern sind, die Unternehmen zahlen. Das fällt unter das Finanzgeheimnis. Gemeinden bekommen vom Finanzamt nur einen Richtwert, an dem sie ihre Hebesätze ausrichten können.

Gesetzlich erlaubt ist, dass Firmen auch Investitionen aus mehreren Jahren auf einen Schlag absetzen können und zurückerhalten. Diese große Summe fehlt nun in der Stadtkasse. 2019 gibt es wieder mehr Gewerbesteuern.