Mülheim. . Zu 70 Jahre „Junger Westen“ widmet das Kunstmuseum dem großen Mülheimer Maler Heinrich Siepmann eine Einzelausstellung. Eröffnung ist am Samstag.
Das Ausmaß dieses kreativen Kraftaktes ist heute nur schwer vorstellbar, aber im höchsten Maße imponierend: Zwischen Nazi-Diktatur und dem Zweiten Weltkrieg, zwischen Verfemung, Isolation und Verlust gingen wertvolle Jahre verloren, als die Freigeister aus Kunst und Wissenschaft nach dieser Zäsur schließlich aus einem tiefen Bedürfnis heraus Anschluss an die Moderne fanden.
Wandmosaik im Rathaus
Eine vage Vorstellung davon vermittelt ein Selbstbildnis von Heinrich Siepmann, das schattengleich einen Pfeife rauchenden Totenkopf mit hohlen Augen in dunklen Farbnuancen zeigt. Entstanden ist dieses Porträt 1945 und lässt das, was die Gräuel eines Krieges mit Menschen machen, nur erahnen. Heinrich Siepmann, am 30. November 1904 in Mülheim geboren und am 16. Dezember 2002 in seiner Heimatstadt verstorben, zählt wohl neben Otto Pankok zu den wichtigsten Künstlern, die über Mülheim hinaus Geschichte schrieben und bis heute unsere Stadtkultur prägen.
So ist die wundervolle Einzelausstellung im Kunstmuseum als eine gelungene Hommage an den bedeutenden Maler Heinrich Siepmann zu verstehen. Die teils großformatigen Gemälde erhalten angemessen luftigen Raum, sind fein ausbalanciert mit ergänzenden Fotos von Evelyn Serwotke. Ein Porträt zeigt einen nachdenklichen Mann mit buschigen Augenbrauen – in sich gekehrt. Mit der Ausstellung beschließt Mülheim den im vergangenen Jahr begonnenen Reigen an Gruppenausstellungen der Ruhrkunstmuseen zum 70. Jahr des „Jungen Westen“.
Konvolut von Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen
Mit einem Konvolut von Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen und Gouachen von Heinrich Siepmann verfügt das Kunstmuseum „über die umfangreichste Sammlung im öffentlichen Besitz“, sagt Museumsleiterin Dr. Beate Reese nicht ganz ohne Stolz. Ergänzt wird die Ausstellung durch Leihgaben, u.a. aus dem Nachlass der Familie Siepmann. Siepmanns Ehefrau Trude, vor einigen Jahren ebenfalls verstorben, hatte zeitlebens über das Werk ihres Mannes gewacht. Der Nachlass bleibt in der Familie, in den Händen von Sohn Heinrich Johannes Siepmann. Auch im öffentlichen Raum sind Spuren sichtbar, wie das Wandmosaik „Spiralnebel“ im Mülheimer Rathaus.
Die Ausstellung schildert in einem spannenden Bilderbogen die künstlerische Entwicklung von Heinrich Siepmann, dessen Stadien er immer wieder reflektierte, an Themen blieb, allzu Akademisches ablehnte, aber stets für Wendungen offen war, etwas anderes auszuprobieren. Treffender als er selbst könnte man es nicht beschreiben: „Wer das Malen immer wieder neu überdenkt, wird gesicherte Positionen überprüfen müssen. Impulse kommen in der Fragestellung des Erworbenen, im Wagnis und Experiment.“
Spät kam er zur Bildarchitektur
Das Kompositionelle reizte ihn mehr als das Darstellerische. Der Mann, der mit fast 100 Jahren bis zum letzten Tag noch an der Staffelei stand, die übrigens auch gezeigt wird, kam erst spät zur Bildarchitektur und dem Zusammenspiel von Farbe, Fläche und Raum. Siepmann zählt zur zweiten Generation der Konstruktivisten und steht mit den Kollegen des „Jungen Westen“ für die Kunst des 20. Jahrhunderts schlechthin.
Als sich die Gruppe 1948 gründete, war Heinrich Siepmann mit 44 Jahren der Älteste. Nach deren Auflösung 1962 erläutert Beate Reese, „weiß man, dass er das als Isolation empfunden hat.“ Auf dem Weg zur konkreten Kunst fand er fast 30 Jahre danach zu den Konstruktionen zurück. „Das gesamte Malerleben“, sagte er 1989, „besteht ja letzten Endes darin, seine eigene Identität zu finden.“
Führungen und Begleitprogramm
Die Ausstellung wird am morgigen Samstag, 27. Januar, 18 Uhr, im Kunstmuseum eröffnet.
Zur Ausstellung gibt es einen Katalog, Führungen und ein Begleitprogramm. So lädt der Mülheimer Kunstverein am 15. März, 17.30 Uhr, zu einem Konzert mit dem Essener Jugend-Symphonie-Orchester ein. Info: www.kunstmuseum-mh.de