Mülheim. . Veterinäramt geht Hinweisen nach, bei denen es sich um vernachlässigte oder gequälte Tiere handelt. Nicht immer werden die Tiere beschlagnahmt.

Der Fall der über 400 Chinchillas, die in 2016 von der Stadt Mülheim eingezogen wurden, hat für Schlagzeilen gesorgt. Noch immer liegt die Sache beim Verwaltungsgericht Düsseldorf, denn gegen das von der Stadt ausgesprochene Halte- und Betreuungsverbot, sowie das Verbot des Handels mit und der Zucht von Nagern hat eine ehemalige Halterin Rechtsmittel eingelegt.

Eine so hohe Anzahl von Tieren, die die Stadt aus Gründen des Tierschutzes einzieht, ist die große Ausnahme. Heike Schwalenstöcker-Waldner, Leiterin des Veterinäramtes, kann sich nur an einen Fall vor Jahren erinnern, als man bei einem Taubenhalter einschreiten musste.

Bürger wenden sich an das Veterinäramt

Im Schnitt wird das Veterinäramt, das zum Ordnungsamt gehört, in rund 70 Tierschutz-Fällen pro Jahr tätig (wobei die Chinchillas als nur ein Fall gelten). Meistens gibt es eine Mitteilung mit Hinweisen, dass es Tieren nicht gut gehe, berichtet die Amtsleiterin. Da haben Nachbarn beobachtet, dass jemand den Hund nie ausführt, oder das kranke Tier nicht zum Tierarzt bringt. Vögel in zu kleinen Käfigen oder Fische in verschmutzten Aquarien werden gemeldet. „Es kommt an Anzeigen alles bei uns an, wovon die Leute denken, dass etwas nicht in Ordnung ist.“ Eine Anzeige muss schriftlich eingehen und darf nicht anonym sein, betont Schwalenstöcker-Waldner, „eine E-Mail genügt“. Dann bewerten Amtstierärzte die Situation, in der die Tiere leben, gutachterlich.

Menschen, die eine Anzeige beim Veterinäramt machen, bleiben nach außen erst einmal anonym. „Doch wenn wir einen Sachverhalt nicht mehr prüfen können, sind wir auf Zeugen angewiesen“, sagt die Amtsleiterin. Spätestens bei einem Gerichtsverfahren müssen Zeugen benannt werden. Blinder Alarm komme heute kaum vor. „Meistens“, so Schwalenstöcker-Waldner, „ist an den Beschwerden etwas dran.“

Oft Mischung aus Unwissenheit und Gleichgültigkeit

Beim aktuellen Fall von Tierquälerei fahren die beiden für den Tierschutz zuständigen Veterinäre der Stadt auch sofort raus – unterstützt, je nach Fall, vom zentralen Außendienst des Ordnungsamtes, der Polizei oder der Feuerwehr, wie es auch bei den Chinchillas der Fall war.

Im Fall der Mülheimer Chinchillas gingen die begutachtenden Veterinäre vom „erheblichen Leid“ für die Tiere aus. Was laut Tierschutzgesetz kein Straftatbestand ist, sondern eine Ordnungswidrigkeit, so die Amtsleiterin. Ein Straftatbestand sei es zum Beispiel, wenn jemand aus bloßer Rohheit sein Tier quäle. Das Tierschutzgesetz sieht in einem solchen Fall sogar eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor.

„Eine Mischung aus Unwissenheit und Gleichgültigkeit“ stecke laut Heike Schwalenstöcker-Waldner oft hinter Verstößen gegen den Tierschutz. Manche Halter merkten nicht, dass es ihrem Tier nicht gut geht. Das Veterinäramt zieht nicht sofort die Tiere ein, wenn vor Ort Mängel festzustellen sind, sondern macht Auflagen und kontrolliert deren Einhaltung. „Aber es gibt auch uneinsichtige Halter.“

Heute viel mehr Anzeigen als noch vor 20 Jahren

„Das Bewusstsein des Tierschutzes hat sich in den letzten Jahrzehnte in der Gesellschaft verändert. Heute haben wir viel mehr Anzeigen als noch vor 20 Jahren“, sagt Heike Schwalenstöcker-Waldner.

Die vier Mülheimer Amtstierärzte sind außer für den Tierschutz auch für die Lebensmittelüberwachung, die Tierarzneimittel- und Futtermittelüberwachung sowie in Tierseuchenfragen zuständig.

<<< STADT NENNT VIER VERFAHREN

Die Stadt hat gegen eine Mülheimer Halterin der Chinchillas ein lebenslanges Halte- und Betreuungsverbot sowie das Verbot des Handels mit und der Zucht von Nagern ausgesprochen. Dies gilt bis zum möglichen anderen Entscheid des Verwaltungsgerichts Düsseldorf. Die ehemalige Halterin hat dort gegen die Verbote Rechtsmittel eingelegt.

Zudem gibt es zwei Bußgeldverfahren, wovon eins am Mülheimer Amtsgericht bereits entschieden wurde: Die ehemalige Halterin muss einen hohen, dreistelligen Betrag zahlen, weil sie ohne Genehmigung Nager gezüchtet und mit ihnen gehandelt hat, so die Stadt. Ein weiteres Bußgeldverfahren, dass sich auf die t ierschutzwidrigen Umstände der Haltung bezieht, muss noch am Amtsgericht verhandelt werden.

Für die Versorgung der vielen Tiere hat die Stadt ca. 50 000 € ausgegeben. Wenn die Verfahren abgeschlossen sind, so Heike Schwalenstöcker-Waldner, kann eine Kostenmitteilung an die Ex-Besitzerin ergehen, weil dann die mit dem Verwaltungsaufwand verbundenen Kosten feststehen.