Mülheim. . Protestzug von Stadthalle zum Berliner Platz: Viele Siemensianer reihen sich ein. Auch, um erneut auf Ängste in puncto Stellenabbau hinzuweisen.

Rund 1200 Metaller haben am Dienstag ihre Arbeit niedergelegt, um auf der Straße für mehr Geld sowie flexiblere Arbeitszeitregeln zu demonstrieren. Die Mülheimer IG Metall hatte zu dem Warnstreik aufgerufen, um die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie anzuschieben. Volker Becker-Nühlen, 1. Bevollmächtigter der Gewerkschaft, heizte die Stimmung unter den frierenden Kollegen an: „Der Wirtschaft geht es gut“, rief er ins Mikro, „ihr habt euch einen fairen Anteil verdient.“

Die Arbeitgeber bieten bislang zwei Prozent mehr Entgelt für zwölf Monate und eine Einmalzahlung von 200 Euro – damit kann und will sich bei der Gewerkschaft und in den Belegschaften kaum einer zufriedengeben. Becker-Nühlen hält das Angebot für eine „offene Provokation“. Olaf Hein, Mitglied im Betriebsrat bei Siemens, hofft derweil auf mindestens vier Prozent: „Das wäre schon mal der Inflationsausgleich.“ Die Inflation sei seines Erachtens nämlich deutlich höher als das eine Prozent, von dem man häufig lese.

Die Gewerkschaft fordert sechs Prozent und eine auf zwei Jahre befristete Arbeitszeitverkürzung auf 28 Stunden wöchentlich etwa für junge Eltern oder Arbeitnehmer, die einen Angehörigen pflegen. Der Protestzug mit Trommeln, Trillerpfeifen sowie Fahnen, Mützen und Buttons in klassischem Gewerkschaftsrot führt vom Stadthallen-Parkplatz zum Berliner Platz. Mitarbeiter von Thyssen-Krupp Presta, Siebtechnik, Wernert Pumpen reihen sich ein – sowie auffallend viele Kollegen von Siemens. Diese nutzen den Tag auch, um erneut auf ihre Ängste und Nöte rund um den angekündigten Stellenabbau hinzuweisen.

Präsenz zeigen ist Gebot der Stunde

„Die heutige Veranstaltung hat zwar nicht direkt etwas mit unserer Situation zu tun“, sagt Programmierer Daniel Lindemann (35), doch müsse man jetzt in jeder Hinsicht „Präsenz zeigen“. Die Konzernspitze reagiere „leider immer nur dann, wenn etwas in der Presse steht“. Und es sei ja auch weiterhin nicht zu verstehen, warum man „die gute Mitarbeiter-Kultur und die qualifizierten Kräfte“ am hiesigen Standort nicht erhalten und voll ausschöpfen wolle.

Die Warnstreiks im Revier

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    Schlosser Alexander Holtkamp (26) ist das „Zeichen, dass wir zusammenstehen“ wichtig. Man wolle „dem Chef zeigen, dass wir noch leben und uns gegen die Entlassungen stemmen“, stimmt ein 52-Jähriger aus der Qualitätssicherung zu. Und eine Kollegin (27) macht klar: „Gerade wir Jüngeren sorgen uns.“ Noch aber besteht „Hoffnung, dass man mit Gewerkschaft und Betriebsrat den Vorstand zur Vernunft bringen kann“, sagt Siemens-Ausbilder Christian Karnowka (31).

    Ein Auftrag, dem sich allen voran Pietro Bazzoli, Betriebsratsvorsitzender bei Siemens, verpflichtet fühlt. Beifall brandet auf, als er die kleine Bühne auf dem Berliner Platz betritt. Man habe sich bewusst dafür entschieden, mitten in der Stadt zu demonstrieren, die Solidarität in Mülheim sei groß. „Die Gesellschaft steht bei den Tarifforderungen und beim Kampf um die Arbeitsplätze hinter uns.“ Wenn in der Führungsetage Leute säßen, „die nicht zuhören wollen, die weit weg sind von den Menschen, dann muss man sich eben zeigen“, so Bazzoli. Die vielen Kollegen auf dem Platz seien „das menschliche Symbol dafür, dass wir den Kampf aufnehmen“. Jahr für Jahr würden historisch gute Ergebnisse vermeldet. Der Gewinn müsse reinvestiert werden: „in die Zukunft der Menschen in den Betrieben“.

    Weitere Protestaktionen angekündigt

    Von Europipe, Mannesmann und Vallourec nahmen Delegationen an der Demo teil. Volker Becker-Nühlen freute es: „In Mülheim ist es gute Tradition, die anderen zu unterstützen, wenn Warnstreiks anstehen.“ Der Protest, so kündigte Bazzoli an, sei übrigens längst noch nicht zu Ende: „Wir werden unsere Aktionen noch steigern.“