Mülheim. . Matthias Frense, künstlerischer Leiter des Ringlokschuppens, gibt im Interview einen Ausblick auf die Herbstsaison.
- Die Inszenierung „Hausbesuch“ wird in Privatwohnungen veranstaltet - Gastgeber können sich noch melden
- Nachwuchs-Projekt der Ruhrtriennale findet in diesem Jahr ausschließlich in Mülheim statt
- Das Kainkollektiv gastiert mit seinem neuen Stück „Hagar“ im Ringlokschuppen
Rimini Protokoll laden zum Hausbesuch, die Mülheimer sind bei einer Theaterreise zu den Ruhrbühnen unterwegs und dürfen bei einem Chor mitmachen: Bewegt startet der Ringlokschuppen in die neue Spielzeit. Über das Herbst-Programm spricht dessen Leiter Matthias Frense.
Eine Butterflocke ziert den Programm-Flyer. Vielfach geht’s bei den kommenden Produktionen um das Thema Europa. Ist damit alles in Butter?
Frense: Wenn man sich das ganze Jahresprogramm anguckt, ist Europa schon sehr präsent. Das liegt aber nicht daran, dass wir uns das Thema auf die Fahnen geschrieben haben, sondern dass die Künstler, mit denen wir teils schon seit sehr langer Zeit zu tun haben, sich damit befassen. Wenn man über Europa spricht, kann man sicherlich nicht sagen, dass alles in Butter ist.
Rimini Protokoll, die schon mehrfach hier waren, laden zum „Hausbesuch Europa“ ein.
Rimini Protokoll war letztes Jahr mit Truck Tracks hier – eine sehr schöne Zusammenarbeit. Es war die einzige Tour, die nachts stattfand. Wir haben die Produktion dramaturgisch sehr eng begleitet. Und die Kollegen haben das goutiert. So kamen wir darauf, wie wir weiter zusammenarbeiten können.
Eine Art Gesellschaftsspiel
Was muss man sich unter dem „Hausbesuch“ vorstellen?
Eine Art Gesellschaftsspiel, das bei jedem Mülheimer zu Hause stattfinden kann. Wo die Frage, was Europa eigentlich ist, unterhaltsam diskutiert werden kann. Es ist ein festes Setting aus 15 Leuten und kann in Küchen, Wohnzimmern oder anderen Räumen stattfinden. Dafür suchen wir noch Gastgeber. Wir haben schon einige, aber es ist noch möglich, mitzumachen.
Die Theaterreise der Ruhrbühnen ist schon ausverkauft. Knüpft sie an die Odyssee im Kulturhauptstadtjahr an?
So ist es. Es ist eine Veranstaltung, die die Idee des Verbundes der produzierenden Häuser im Ruhrgebiet noch mal darstellen soll und Menschen einlädt, auch das Theater in der Nachbarschaft oder der übernächsten Stadt zu erkunden. Ein Blind Date, wo es ein Ticket gibt, und die Leute wissen nicht, wo es hingeht, ist eine super Idee.
Das heißt, ich lasse mich überraschen, setze mich in den Bus, fahre zu einem Theater in eine andere Stadt und sehe mir ein Stück vom Spielplan an?
Genau. Natürlich zeigen die Häuser das, was sie im Repertoire, beziehungsweise produziert oder koproduziert haben.
Apropos Koproduktion: Kainkollektiv kommt mit einem neuen Stück in den Ringlokschuppen?
Kainkollektiv hat „Hagar“ herausgebracht, das wir mit dem Schauspielhaus Bochum produziert haben (Hagar heißt „die Fremde“, Anm. d. Red.). Wenn wir uns anschauen, dass überall auf der Welt im Namen eines Gottes Krieg geführt wird, dann versucht Kainkollektiv an den Punkt zurückzugehen, an dem die Weltreligionen, die christliche und jüdische Tradition und der Islam quasi noch gebunden waren innerhalb der Familiengeschichte um Abraham. In dieser Patchwork-Familie, wenn man so will, sind die Weltreligionen enthalten. Eine unglaublich ergreifende Geschichte.
Es gibt auch wieder die Masterclass der Ruhrtriennale mit drei jungen Theaterkollektiven...
Wir haben zum dritten Mal die Masterclass im Haus. In den letzten Jahren hatten wir das Projekt immer mit anderen Stadttheatern geteilt. Diesmal hat die Ruhrtriennale gesagt: ,Es war immer so gut bei euch, sollen wir nicht alle drei Teile bei euch machen?’ Da haben wir nicht ,Nein’ gesagt, da Nachwuchsarbeit für uns zentral ist.
Gerburg Jahnke coacht
Was werden für Stücke entwickelt?
Wir haben in einer Sitzung mit der Ruhrtriennale drei Arbeiten herausgezogen. Es gibt einen performativen Zugang mit „Amerika“. Es gibt einen klassischen Schauspielzugang, das ist ein junger französischer Regisseur aus Paris, der „Metamorphosis“ macht, und es gibt eine Art Comedy-Zugang mit der Gruppe Roar. Drei junge Frauen, die sich mit weiblichem Humor auf der Bühne auseinandersetzen. Gecoacht wird das Ganze von Gerburg Jahnke.
Wie kam es zur Lesung am 26. Oktober mit dem Soziologen Harald Welzer in der Reihe „Über Leben“ des Literaturbüros Ruhr?
Mit dem Literaturbüro verbindet uns eine lange Zusammenarbeit. Diesmal ging die Initiative von unserer Mitarbeiterin Claudia Saerbeck aus, die Welzer bei einem Termin in Berlin angesprochen und die Lesung eingestielt hat.
<<<HAUSBESUCH IN PRIVATEN WOHNZIMMERN
Beim „Hausbesuch“ bringt Rimini Protokoll die abstrakte europäische Idee als Gesellschaftsspiel in Mülheimer Wohnzimmer. Gastgeber und Gäste werden Teil einer Inszenierung, die persönliche Geschichten und politische Mechanismen verzahnt.
Gastgeber werden noch gesucht. Sie dürfen sich einen Wunschtermin zwischen 8. November und 16. Dezember aussuchen, zwei Gäste einladen und 15 Stühle bereit halten. Infos unter 99316-75, -11 oder europa@ringlokschuppen.de.