Mülheim. . Nicole Urbantat engagiert sich für den Verein „Rettet das Huhn“, der Hühner aus Massentierhaltung übernimmt und sie an Tierfreunde vermittelt.
Pina stolziert über die Wiese, ihre staksigen Beine setzt sie elegant voreinander. Ihrer berühmten Namensvetterin, der Balletttänzerin Pina Bausch, macht das Huhn, das auf der Heimaterde lebt, also alle Ehre. Dabei hat Pina – das Huhn – erst in den vergangenen fünf Monaten erfahren, was wirkliches Leben bedeutet. Zuvor war sie Legehenne, verrichtete ihren Dienst als Eierlieferantin in einer trostlosen Halle mit tausenden anderer Hühner. Als ihre Kapazität versiegte, ihre Legeleistung nachließ, sie nicht mehr wirtschaftlich war, schlicht zu wenig Eier kamen, da sortierte der Landwirt sie aus – genau wie tausende ihrer Leidensgenossen auch. Das ist der Moment, in dem die Tiere normalerweise im Schlachthof entsorgt werden.
Auch Pinas Geschichte könnte hier zu Ende sein. Doch sie geht weiter. Im Garten von Nicole Urbantat auf der Heimaterde. Die Mülheimerin engagiert sich seit fast zehn Jahren bei dem Verein „Rettet das Huhn“ und organisiert die Aufnahme ausgedienter Legehennen im Ruhrgebiet und am Niederrhein.
Zehn Hennen und ein Hahn im Stall
Über 46 000 Hühner hat der Verein „Rettet das Huhn“ nach eigenen Angaben seit seiner Gründung vor zehn Jahren gerettet. Bei Nicole Urbantat leben derzeit zehn Hennen und ein Hahn. Pina ist der Neuzugang, sie kam erst im Januar aus der Legebatterie nach Mülheim, ihr Federkleid ist bis heute nicht ganz dicht, an manchen Stellen ist noch die rosafarbene Haut zu sehen. Zumeist nackt kommen die Hühner aus den Ställen. „Sie haben da ja nichts anderes zu tun, als zu fressen und sich selbst zu rupfen“, erklärt die 47-Jährige. Damit die Tiere sich im Winter nicht erkälten und im Sommer keinen Sonnenbrand bekommen, ziehen die Tierschützer ihnen kleine Fleece-Jäckchen an.
Denn die Welt, auf die sie draußen treffen, nachdem die Tierschützer die Legehennen nach Absprache mit den Landwirten aus den Stallungen geholt haben, ist eine gänzlich andere, als die, die sie zuvor kannten. Zum ersten Mal spüren sie echte Wiese unter ihren Füßen, können nach Würmern picken oder einfach ihre Flügel in der Sonne ausbreiten. Und sie haben Platz. Können in den Stall-Anlagen laut Gesetz bis zu neun Hühner pro Quadratmeter gehalten werden, fordert der Verein „Rettet das Huhn“ von den neuen Hühnerhaltern, die die ausrangierten Eierproduzentinnen aufnehmen, mindestens zehn Quadratmeter pro Tier. „Die Hennen sollen nicht länger Nutztiere sein“, betont die Mülheimer Tierschützerin und erklärt: „Die Tiere hatten einen denkbar schlechten Start ins Leben gehabt, ihr Legeapparat war im Dauerbetrieb, das hinterlässt Spuren.“
Einmal im Leben das Gras gespürt
Die nur auf Legeleistung hochgezüchteten Hühner werden selten älter als drei Jahre, mit etwa 18 Monaten ersetzen die Betreiber der Legebatterien sie durch neue. Durch die Vermittlung von Nicole Urbantat und des bundesweit agierenden Vereins erhalten sie ihr Gnadenbrot. „Nimmt man welche von diesen Tieren auf, muss man sich darüber im Klaren sein, dass ein Huhn vielleicht auch nach einem Tag stirbt.“ Dann aber habe es zumindest einmal im Leben Gras unter den Krallen gespürt.
„Wissenschaftler haben heraus gefunden, dass das Huhn schnell vergisst, die Tiere sind nicht traumatisiert“, sagt die Hühnerhalterin. Im Gegenteil: Hühner würden schnell zahm, brächten eine große Portion Neugier mit. „Das Huhn als Haustier wird unterschätzt“, findet Nicole Urbantat. Pina scheint ihr recht geben zu wollen. Gewieft stibitzt sie Gonzales, dem Hahn der Gruppe, das beste Leckerchen vor dem Schnabel weg.
>> NEUES ZUHAUSE FÜR EHEMALIGE EIERMASCHINEN
Kontakt zur Mülheimerin Nicole Urbantat vom Verein „Rettet das Huhn“: Tel. 0208/782 39 23 und Tel. 0177/430 68 96 oder per Mail: nicole@rettetdashuhn.de. www.rettet-das-huhn.de
Über die Arbeit des Vereins „Rettet das Huhn“ berichtet auch die WDR-Reihe „Tiere suchen ein Zuhause“ in ihrer nächsten Sendung am Sonntag, 11. Juni, ab 18.15 Uhr.