Mülheim. . Zu wenig Räume, zu wenig Personal: Abkehr vom Turbo-Abi schafft Probleme. Das Gymnasium Broich etwa könnte bei G8 bleiben.
- Die zukünftige neue Landesregierung hat die Rückkehr zum G9-Modell mit 13 Schuljahren angekündigt
- Mülheimer Schulleiter sehen es skeptisch, das Rad wieder zurück zu drehen, weil sie hohen Aufwand erwarten
- Manche wünschen sich eine gemeinsame Linie aller Gymnasien in der Stadt
Der Streit um das sogenannte Turbo-Abi scheint seit gestern von der künftigen Landesregierung beendet worden zu sein. Ob und wie viele der fünf Mülheimer Gymnasien aber tatsächlich zu G9 zurückkehren werden, ist noch lange nicht entschieden. Im Gegenteil: Denn grundsätzlich unzufrieden scheint man mit dem verkürzten Abitur nicht zu sein, „es funktioniert“, es gebe auch keine Beschwerden seitens Eltern oder Schüler.
Ungeklärte Finanzierung
„Avanti Dilettanti“ - vorwärts ihr Stümper - heißt es deshalb hinter vorgehaltener Hand. Gemeint ist weniger „Rot-Grün“ als die zukünftige schwarz-gelbe Landesregierung, die den Hick-Hack ums Turbo-Abi überhaupt erst eingebrockt hat und sich nun als Beender des jahrelangen Zoffs zelebriert.
Denn umgekehrt sehen manche Gymnasien nun ungeklärte finanzielle, also personelle und vor allem räumliche Probleme auf sich zukommen, wenn sie ab 2019 grundsätzlich zum Abi nach 13 Jahren zurückkehren sollen.
Großer Fehler alles wieder umzukrempeln
Vier bis fünf Räume zusätzlich sowie mehr Lehrpersonal hält Ralf Metzing, Schulleiter des Gymnasiums Broich, bei einer Umstellung für notwendig. „Wir haben diese Räume nicht.“ Er ist daher skeptisch: „Ich halte es für einen großen Fehler, die funktionierende Struktur wieder umzukrempeln.“ Die Lehrpläne der Unter-, Mittel- und Oberstufe müssten nun wieder umgestaltet werden.
„Das bindet Kräfte, die man eigentlich in die Verbesserung der Schulqualität stecken sollte“, meint Metzing. Zumal: Schlechter als die G9er-Klassen hätten die Turbo-Abiturler nicht abgeschnitten. „Ich kann mir daher vorstellen, dass man in Broich bei G8 bleibt.“
In Ruhe angehen
An der Luisenschule wägt man ab: Ein Jahr früher raus gegen den Stress einer zweiten Fremdsprache in der Sechsten, den fehlenden Abschluss nach der Sekundarstufe I, den „sehr vollen Lehrplan, der trotz vieler Ankündigungen nie entschlackt wurde“, sagt Schulleiter Holger Ellwanger. Auch die Räume fehlen, sie dienen als Differenzierungsräume für die Inklusion. „Persönlich finde ich G9 aber nicht schlecht“, doch ob sich die Luise umentscheidet, muss die Schulkonferenz entscheiden. „Ich wünsche mir eine gemeinsame Linie aller Gymnasien.“
Mehr Raum- und Lehrerbedarf
Die wünscht sich auch Ulrich Bender, stellvertretender Schulleiter der Otto-Pankok-Schule. Er fürchtet einen sich zuspitzenden Wettbewerb unter den Gymnasien. Auch rechnet er mit mehr Raum- und Lehrerbedarf – „derzeit könnten wir es organisatorisch gar nicht umsetzen“. Zumal seien keine Beschwerden von Eltern oder Schülern über das Turbo-Abi bekannt.
Die Risiken des Umstiegs mit Eltern und Schülern zu evaluieren, rät Bender. Und „nicht einfach ein Jahr dranzuflanschen. Wir haben die Chance, das zusätzliche Jahr mit Innovation und pädagogischen Konzepten sinnvoll zu gestalten“.
Schulträger sieht Umstellung optimistisch
Die Stadt als Schulträger zeigt sich optimistisch, die Umstruktrierung bewältigen zu können.
Schuldezernent Ulrich Ernst: „Es ist ja noch nicht Gesetz, sondern eine Absichtserklärung.“
Ernst: „Relevant wird G9 erst ab 2019, dann haben wir neun Jahre Zeit, die Voraussetzungen zu schaffen.“