Mülheim. . In den Mülheimer Stadtteilen hat die AfD bei der Landtagswahl den meisten Zulauf erfahren. Viele vor Ort verstehen das nicht, zeigt eine Umfrage.
- Nirgendwo anders hat die AfD prozentual mehr Stimmen bekommen als im Wahllokal an der Fröbelstraße 6 in Styrum
- AfD-Kandidat Ufer kam hier am Sonntag auf 16,46 Prozent, bei den Zweitstimmen stimmten 18,63 Prozent für die AfD
- Vor Ort zeigen sich viele Bürger erschrocken, andere benennen Gründe für das starke Abschneiden der jungen Partei
Der Stimmbezirk 171, mitten in Styrum, ist Spitzenreiter. In keinem anderen Wahllokal in Mülheim sind am Sonntag bei der Landtagswahl prozentual mehr Stimmen für die AfD abgegeben worden als im Wahllokal an der Fröbelstraße 6, der Brüder-Grimm-Schule. AfD-Kandidat Ufer kam hier am Sonntag auf 16,46 Prozent, mit der Zweitstimme entschieden sich in dem Styrumer Stimmbezirk 18,63 Prozent für die AfD.
„Das krieg’ ich nicht in meinen Kopp“, sagt Wilhelm Krummeich. Gerade kommt der 90-Jährige vom Einkaufen und läuft an der Brüder-Grimm-Schule vorbei. „Das ist auch mein Wahllokal“, erzählt der Senior. Seit den 50er-Jahren lebt er in Styrum und mindestens genauso lange wählt er die SPD. Zwar bleibt die SPD in Krummeichs Stimmbezirk mit 44,61 Prozent die stärkste Partei, die AfD aber kratzt beinahe an der 20-Prozent-Marke. Der 90-jährige Styrumer kann das kaum fassen: „Als ich die Zahlen von der AfD gehört habe, da habe ich mich richtig erschrocken.“
„Hier gibt es zu viele Probleme mit Ausländern“
Nicht verwundert über den Zugewinn an Stimmen bei der AfD ist eine Styrumerin, die namentlich nicht genannt werden will. „Ich bin vor der Wahl schon von ein paar Leuten gefragt worden, ob ich denn auch die Richtigen wähle – die meinten die AfD“, sagt die 57-Jährige. Wo sie letztlich ihre Kreuzchen gemacht hat, lässt sie offen, meint aber eine Erklärung zu kennen dafür, warum sich viele Styrumer der AfD zuwenden: „Hier gibt es zu viele Probleme mit Ausländern, teilweise muss 20 Mal die Polizei rauskommen. Viele Deutsche wollen sich nicht mehr bieten lassen, dass die sich nicht anpassen“, sagt sie.
Nur einen Steinwurf entfernt wohnt Paul Pancerzynski. Für den 70-Jährigen ist klar, warum die SPD viele Stimmen eingebüßt hat: „Auf den Plakaten standen keine Antworten.“ Dass die AfD hingegen in seinem Stadtteil derart stark geworden ist, überrascht den Styrumer allerdings. Aber, versucht er eine Erklärung: „Leute, die nicht differenziert denken, bekommen bei der AfD einfache Antworten.“ In seinem Bekanntenkreis habe es AfD-Wähler gegeben, sagt Pancerzynski. Den Kontakt dazu habe er abgebrochen, erzählt der Styrumer. Wenn die AfD sich auch bei der Bundestagswahl etabliere, so sagt Pancerzynski, dann „würde das für mich bedeuten, dass der Anteil der Dummen in Deutschland größer geworden ist.“
„Hier herrscht doch Friede, Freude, Eierkuchen“
Vor der Döner-Bude am Sültenfuß sitzen drei junge Männer – zwei mit türkischen Wuzeln, einer mit mazedonischen, alle drei sind in Styrum aufgewachsen. „Hier herrscht doch Friede, Freude, Eierkuchen“, sagt der 23-jährige Türkischstämmige und kann sich nicht erklären, warum die AfD so einen Zulauf erfahren hat. Der 19-Jährige, dessen Eltern aus Mazedonien kommen, sagt: „Ich glaube, dass diesmal mehr Ausländer wählen gegangen sind, um der AfD die Stirn zu bieten.“
Szenenwechsel: Dümpten. Auch im Stimmbezirk 153 rund um die Schildbergschule hat die AfD besonders viele Stimmen eingefahren: 17,37 Prozent. Rainer Zimmermann überrascht das nicht: „Viele in Dümpten lieben die Ruhe. Aber überall wird viel zu schnell gefahren und an Containerstandorten liegt häufig Müll rum.“ Der 73-Jährige will nicht vorschnell urteilen über die Partei, sondern sagt: „Jetzt sind die dabei und wir müssen erst mal abwarten, was daraus wird.“
„Die haben noch nicht so viel Lebenserfahrung“
Dass es vor allem junge Leute waren, die ihre Stimme für die AfD abgegeben haben, davon ist eine 72-jährige Spaziergängerin am Schildberg überzeugt. Sie sagt: „Die haben noch nicht so viel Lebenserfahrung und können die Partei nicht richtig einschätzen.“ Diese Entwicklung bereite ihr durchaus Sorgen, sagt die Dümptenerin: „Wer weiß, was meine Enkelkinder noch alles erleben müssen.“
Die wenigsten Stimmen (4,09 Prozent) hat die AfD im Übrigen im Stimmbezirk 061 bekommen – das Wahllokal lag an der Mendener Straße im Seniorenwohnheim Haus Ruhrgarten .