Mülheim. . SPD büßt in Hochburgen massiv ein. CDU punktet selbst in Heißen zweistellig. FDP stark wie seit 60 Jahren nicht. Sorgen wegen AfD-Ergebnisse.
- Gerade in ihren Hochburgen büßt die SPD deutlich an Stimmen ein – bis zu 14 Prozentpunkte
- CDU sieht den geringen Anteil an eigenen Abgeordneten aus dem Ruhrgebiet kritisch
- Zweistellige Ergebnisse der AfD bereiten auch dem Oberbürgermeister Sorgen
Die politische Landkarte der Stadt verliert weiter an ihrer Rotfärbung. Die SPD fährt mit 35,1 Prozent bei der Landtagswahl am Sonntag ihr schwächstes Ergebnis seit 70 Jahren ein. Zwar bleibt sie noch stärkste politische Kraft in Mülheim, aber sie verliert selbst in ihren Hochburgen massiv: 14,1 Prozentpunkte weniger in Dümpten, wo sie eine Hausmacht war.
Es sind Gebiete, wo die AfD zweistellig wird. Ebenso in Styrumer Wahllokalen holen die Rechtsextremen bis zu 19 Prozent – eine Entwicklung, die auch dem Oberbürgermeister Sorgen bereitet. „Wir müssen darauf vor Ort auch als Stadtverwaltung reagieren“, sagt Ulrich Scholten. Menschen zusammenbringen, Ängste nehmen, dezentrale Lösungen für Probleme anbieten, damit will der OB auf die AfD reagieren.
Zweistellige Verluste für SPD in Heißen und Winkhausen
Herbe zweistellige Verluste ergeben sich für die Genossen auch in Heißen und Winkhausen, wo eigentlich die Ortsvereine seit vielen Jahren versuchen, sehr nah am Bürger zu sein. Den Unmut gegenüber der Landespolitik konnten sie damit nicht beeinflussen. Aber: Hannelore Kraft hat bei den Erststimmen trotz 15 Prozentpunkten Verlust immer noch 23 der 27 Kommunalwahlbezirke gewonnen.
Die SPD ist erst recht dort schwach, wo die CDU besonders punktete, das ist auch am Sonntag nicht anders geworden, nur das Ausmaß hat sich gewandelt und ist größer. In Holthausen-Süd, wo die SPD nur noch auf 23 Prozent kommt, legt die CDU um mehr als zehn Punkte auf 39 Prozent zu. In Saarn-Siedlungen und in Teilen von Heißen wächst die Union ebenfalls zweistellig. Dass sie trotzdem stadtweit mit 27,3 Prozent deutlich unter dem Landesergebnis bleibt, ist für Parteigeschäftsführer Thomas Mehlkopf-Cao zwar bedauerlich, aber nicht verwunderlich: „Das Ruhrgebiet ist immer noch die letzte Hochburg der SPD, aber das bröckelt. Die Bevölkerung ändert sich.“ In den nächsten Jahren, glaubt der Parteigeschäftsführer, sei auch das rote Ruhrgebiet Geschichte.
CDU bemängelt: Zu weniger Abgeordnete aus dem Ruhrgebiet
Dass die CDU trotz des Wahlerfolges im künftigen Landtag kaum Abgeordnete aus dem Ruhrgebiet haben wird, sieht Mehlkopf-Cao kritisch: „Ich glaube, dass noch der eine oder andere CDU-Politiker aus dem Ruhrgebiet mit einem Posten in der Landesregierung ausgestattet wird.“ Das Revier habe schließlich viele CDU-Wähler, aber auch viele Probleme. Könnte der Mülheimer Heiko Hendriks, der bei den Mandaten ebenfalls leer ausgeht, dabei sein? „Zumindest gehört er zu denen, die sich einen guten Ruf in den vergangenen Jahren im Landtag erworben haben“, betont Mehlkopf-Cao.
Das beste Ergebnis seit über 60 Jahren fährt die FDP mit 13,6 Prozent ein. Sie liegt inzwischen in allen Bezirken deutlich über fünf Prozent. In Holthausen-Süd bringt sie es auf 20 Prozent und liegt dort nicht mehr weit hinter der SPD. Holthausen-Süd ist auch der Wahlbezirk mit der höchsten Wahlbeteiligung – knapp 80 Prozent gaben dort ihre Stimme ab.
Grüne in einigen Bezirken nicht einmal bei 5 Prozent
Die Grünen verlieren dort besonders stark, wo sie zuletzt am stärksten waren, etwa am Kahlenberg – minus acht Prozentpunkte. In sechs von acht Bezirken im Stadtbezirk Rechtsruhr-Nord fallen sie unter die Fünf-Prozent-Marke. Politisch rutschen sie damit weit hinter die FDP und auch hinter die AfD.
Deren Abschneiden in der Stadt hat viele schockiert. Sie gewinnt in Mülheim mehr Stimmen als im Landesschnitt, in etlichen Kommunalwahlbezirken holt sie zweistellige Ergebnisse: Mellinghofen, Dümpten, Styrum – überall über zehn Prozent. Gebiete, wo die Hartz-IV-Quote bei den Unter-65-Jähren auf bis zu 42 Prozent ansteigt. Doch das hat nach Ansicht der Stadtforschung nur bedingt Einfluss. Auch auf der Saarner Kuppe bringt es die AfD auf acht, am Kahlenberg immerhin auf fünf Prozent, wo die soziale Struktur eine völlig andere ist.
Mangen (FDP) mahnt angesichts des AfD-Erfolges
„Wir müssen“, sagt der neue Landtagsabgeordnete Christian Mangen (FDP), „die normale Mitte der Gesellschaft wieder mehr in den Blick nehmen und deren Sorgen beachten.“ Zu sehr, glaubt Mangen, schiele Politik nach den Rändern, nach denen, denen es besonders schlecht oder besonders gut gehe. Aber gerade die Mitte könne schnell zu den Rändern abgleiten, wenn sie merke, dass sich keiner so recht um sie kümmere.