Mülheim. . Enttäuschung und Zukunftsängste nach den gescheiterten Verhandlungen zu Kaiser’s Tengelmann. OB und Wirtschaftsförderung möchten sich „vermittelnd einbringen“.

  • Karl-Erivan Haub sieht für sozialverträgliche Lösung noch kleines Zeitfenster offen
  • Oberbürgermeister drückt tiefe Enttäuschung nach Scheitern der Gespräche aus
  • Arbeitsagentur und Handelsverband machen Mitarbeitern Mut

Sein tiefes Bedauern gegenüber den 16 000 Mitarbeitern stand im Mittelpunkt des Schreibens, aber auch noch ein Funke Hoffnung: „Bis zur Umsetzung der ersten Verwertungsmaßnahmen“, wandte sich Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub noch am Donnerstagabend um 19.42 Uhr an die Beschäftigten in den Supermärkten, in der Verwaltung und anderen betroffenen Tochtergesellschaften, gebe es noch ein kleines Zeitfenster, in dem die Zerschlagung der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann abzuwenden sei.

Die Hoffnung in der Speldorfer Unternehmenszentrale stirbt also zuletzt. Gleichwohl: Ab nächster Woche werden Kaufinteressenten für einzelne Supermärkte gesucht, die Geschäftsführung ist aufgefordert, in Sozialplanverhandlungen einzusteigen. Für rund 400 Mitarbeiter in der Speldorfer Zentrale ist das Scheitern der Rettungsgespräche wohl besonders bitter, weil ein Großteil von ihnen bei einer Einzelverwertung auf jeden Fall nicht mehr gebraucht würde. Auch arbeiten andere Abteilungen in Speldorf, etwa die IT, konzernübergreifend. Ein Stellenabbau auch dort kann nicht ausgeschlossen werden.

OB Scholten will sich in den Zukunftsprozess vermittelnd einbringen

So drückte Oberbürgermeister Ulrich Scholten am Freitag seine tiefe Enttäuschung über das Scheitern der Rettungsgespräche aus. „Ich hätte mir mehr Solidarität der Mitbewerber von Karl-Erivan Haub gewünscht, um im Sinne der Mitarbeiter und deren Familien zu handeln.“ Scholten dankte Haub für dessen „langen Atem“, um in den vergangenen zwei Jahren ein sozialverträgliches Ergebnis zu erzielen. Die mögliche Zerschlagung der Supermarktkette treffe auch die Nahversorgung in den Stadtteilen. Scholten hat sich mit Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier verständigt, „sich in den Zukunftsprozess vermittelnd einzubringen“.

Hinter der Zukunft stehen noch viele Fragezeichen

Die noch 104 verbliebenen Filialen im Vertriebsgebiet Nordrhein will Tengelmann schon in der kommenden Woche potenziellen Käufern zum Einzelkauf anbieten, ebenso die in Speldorf beheimateten Online-Shops von Plus.de und GartenXXL.

Was die Nachnutzung leerer Büroräume in der Tengelmann-Zentrale angeht, herrscht weiterhin Funkstille. Tengelmann und Wirtschaftsförderung haben dem Vernehmen nach schon Gespräche geführt, doch wollen zum jetzigen Zeitpunkt, da die Lage so unübersichtlich ist, nichts davon in die Öffentlichkeit tragen.

Denkbar wäre, dass Tengelmann im Bestand ein Studentenwohnheim etabliert oder Platz für Ausgründungen der Hochschule Ruhr West und hochschulaffine Firmen schafft.

Heinz Wilhelm Paschmann vom Einzelhandelsverband sieht die Chancen für die Supermarkt-Beschäftigten von Kaiser’s Tengelmann gar nicht so schlecht, sollte es zu Marktschließungen kommen. Der neue Rewe an der Düsseldorfer Straße brauche Personal, zudem sei zu hören, dass Kaufland sich für eine Ansiedlung auf alter Tengelmann-Fläche an der Steinkampstraße in Styrum interessiere. Da entstünden, wenn es so komme, sicher auch gut 100 Arbeitsplätze.

Ähnliche Signale gibt es von der Agentur für Arbeit. Im Bezirk Mülheim-Oberhausen gebe es derzeit immerhin rund 200 offene Stellen im Verkauf, sagt Agenturchef Jürgen Koch. Von diesen Stellen befinden sich laut einer Bestandsliste der Agentur derzeit 54 im Bereich „Verkauf von Lebensmitteln“, sprich in einem Supermarkt oder ähnlichen Läden. Allerdings müsse man im Einzelfall schauen, ob der Einsatz in einem Supermarkt zwingend erforderlich sei, oder ob die betroffene Person auch in einem anderen Bereich eingesetzt werden könne, entweder ohne Weiteres oder mit Hilfe von Qualifizierungsmaßnahmen.

Jürgen Koch nannte die Situation für die Tengelmann-Mitarbeiter am Freitag „außerordentlich bedauerlich“. Bevor er aber konkrete Maßnahmen ergreift, möchte der Chef der Arbeitsagentur abwarten, „was die Sozialplanverhandlungen bringen“.