Mülheim. Die Polizeibehörde hat 2016 mehr „kleine Waffenscheine“ ausgestellt. Nach etlichen Anschlägen stellt der Waffenfachhandel eine erhöhte Nachfrage fest.
Die Nachrichten der letzten Monate haben offenbar bei vielen Bürgern das Bedürfnis ausgelöst, sich selbst schützen zu wollen. Ein Indiz dafür ist die Zahl der Anträge auf den so genannten „kleinen Waffenschein“, die die Polizei Essen/Mülheim in diesem Jahr ausgestellt hat. Dieses Papier bekommen unbescholtene erwachsene Bürger auf Antrag bei der Polizeibehörde; es gestattet das Mitführen von Gas- oder Schreckschusspistolen.
Während die Behörde im vergangenen Jahr nur 298 Anträge für beide Städte bearbeiten musste, waren es in diesem Jahr – im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. August – bereits 1557 Anträge. Dieser Trend zeichnete sich bereits im Januar, nach den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht ab, als die Anfrage nach dem kleinen Waffenschein deutlich zunahm. Für das Papier verlangt die Polizei 55 Euro Gebühr. Zwar schlüsselt die Polizei nicht auf, wie viele Anträge explizit von Mülheimern gestellt worden sind, doch weiß die Behörde, dass aktuell über 1100 „kleine Waffenscheine“ allein im Besitz von Mülheimer Bürger sind, wie Polizeisprecher Peter Elke auf Anfrage mitteilte. (In Essen sind es derzeit 3500 Bescheinigungen.)
Fachhändler: "Eine gute Investition"
Tatsächlich dürften es aber mehr als rund 1100 Bürgerinnen und Bürger sein, die sich mit einer Schreckschusswaffe sicherer fühlen. Der Mülheimer Waffenhändler Thomas Pips verweist darauf, dass Gas- oder Schreckschusswaffen in der eigenen Wohnung auch ohne „kleinen Waffenschein“ (zur Selbstverteidigung bei Notwehr) erlaubt seien. Andererseits verböten die Hausordnungen mancher öffentlich zugänglicher Orte auch das Mitführen einer Schreckschusswaffe – ob mit oder ohne den „kleinen Waffenschein“, so Pips. Sein Geschäft hatte nach den Ereignissen zum Jahreswechsel und nach den Anschlägen im Regionalzug bei Würzburg und in Ansbach mehr Kundenzulauf – „die Menschen werden dann sensibler“.
Thomas Pips, der das Fachgeschäft in dritter Generation führt, viele Jäger und Sportschützen zu seinen Kunden zählt, kennt die Hauptmotivation derjenigen, die sich für frei verkäufliche Selbstschutzartikel wie Gas- und Schreckschusswaffen, Elektroschocker oder Teleskopschlagstöcke interessieren: „Die meisten haben ein entsprechendes Erlebnis gehabt – zum Beispiel einen Einbruch.“ Dafür hat er Verständnis, er sieht so eine Anschaffung pragmatisch, etwa wie die eines Feuerlöschers – „da ist man ja auch froh, wenn man den nie benutzen muss. Dann ist das eine gute Investition.“
Auch Softairwaffen können verletzen
Polizeisprecher Elke schätzt, dass inzwischen auch mehr Pfefferspray im Umlauf ist. Dieses Abwehrmittel sei schon ab 14 Jahren frei verkäuflich. „Man sollte aber immer in der Überlegung haben, dass das Mittel auch gegen einen selbst gerichtet werden kann“, so sein Einwand. Dasselbe gelte für Schreckschusswaffen.
Bei Pips an der Bachstraße – das Fachgeschäft ist seit 93 Jahren in der Stadtmitte ansässig – gilt übrigens die Prämisse: Verkauf erst ab 18. Das gilt für Abwehrsprays, aber auch für Softairwaffen, die teils ab 14 Jahren erlaubt sind. „Doch auch damit“, so Thomas Pips, „kann man ja jemanden verletzen.“