Mülheim. Der Müga-Park und das Aquarius Wassermuseum waren die Schauplätzeder „Extraschicht“ in Mülheim. Die Künstler dort bewiesen bei miesem Wetter viel Spontaneität.
Der Müga-Park verkam zur Matschwiese, das Aquarius versank selbst halb im Wasser: Das Grausewetter beflügelte die Besucherzahlen der ohnehin eher als Geheimtipp geltenden Veranstaltungsorte der „Extraschicht“ in Mülheim nicht gerade. Dabei konnte man auch hier wieder zahlreiche interessante Künstler kennenlernen. Drei Begegnungen:
Der Mundakrobat
Mal beatboxt er vor 30.000 Leuten wie beim Audi Cup in München, dann mit 20 Leuten wie beim Cajon-Workshop in der Müga. Fatih „Blazer“ Sahin (26) ist Musikproduzent, Vocalist, Performer und führt ein Leben im Tourbus. „Das Fundament meiner Karriere ist das Beatboxing“, sagt er. Mit 15 Jahren brachte sich der rothaarige Deutsch-Türke die Lautbildungskunst autodidaktisch bei. „Jeder kann das lernen, man muss sich nur auf viel Muskelkater im Mund gefasst machen. Wer beatboxt, hat ein Sixpack auf der Zunge.“
Heute tritt Blazer alleine mit einer Loop-Station auf und stellt die Schritt-für-Schritt-Produktion eines Beats live nach. Oder er spielt zusammen mit dem Drum Café wie im Müga-Park. Das Künstlerkollektiv ist auf Live- Workshops spezialisiert und hat den Mülheimer Besuchern gezeigt, wie man auf einem Cajon, einer Sitztrommel aus Papier, performt. Blazers Beatboxing-Einlagen sind dabei das i-Tüpfelchen Entertainment.
Der Comedy-Akrobat
Ginge es nach Jens Ohle, wäre der Autor dieses Artikels von zwei Kindern umgerannt worden und der Notizblock im Schlamm versunken. Der Hamburger ulkt mit und über jeden vor der Bühne – Presseleute, Sanitäter und besonders gerne zu spät kommende Zuschauer. „Vor jeder Show denke ich mir: Hoffentlich fällt mir bei den Leuten etwas ein“, erzählt der „gelernte Straßenmusiker”. „Darin liegt der große Druck, denn jede Show ist komplett anders. Jede Show muss ein Unikat sein“.
Von Leuchtskulpturen bis zur Live-Musik
Der Müga-Park stand unter dem Motto „Stein, Papier, Schere . . . Laser”. Dort wurden Leuchtskulpturen und Papier- theater gezeigt. Programmpunkte wie eine Modeshow mit Kleidern aus Papier mussten wegen des Wetters entfallen.
Auf das Insel-Motto des Wassermuseums kamen die Veranstalter aufgrund der „Insellage” Styrums zwischen Ruhr, A40 und Bahnlinie. Neben dem Improtheater traten die Bands Happy Gangstas und Pot o´Stovies auf.
Was Jens Ohle macht, nennt sich artistische Comedy. Er balanciert auf Leitern, jongliert auf Einrädern oder mit brennenden Fackeln. Dabei macht er Witze - und die dürfen nicht geskriptet sein. „Alles lebt von der Improvisation“. Nur sein Alter ist ein Leitmotiv - denn inzwischen lebt der 48-Jährige seit über 20 Jahren von seiner Kunst. Da ist man schon mal zu gebrechlich, um von einem Einrad auf eine Leiter zu springen. Na, solange man darüber noch einen Witz machen kann.
Der Wortakrobat
Das Wassermuseum stand unter dem Motto „Reif für die Insel“ - „ein sehr dankbares Thema für ein Improtheater“, sagt Mark Wigge vom Ensemble der Theatertruppe Tatendrang. Im einen Moment ist er isländischer Fischer, dann ein Gefangener auf Alcatraz. Das Publikum fernsteuert ihn dabei oder nennt ihm Stichworte. Was dabei herauskommt, ist für die Gäste genauso spannend wie für ihn selbst. „Man ist dann absolut im Flow!“
Tatendrang sind zum ersten Mal vor zehn Jahren am Museum aufgetreten, seit fast 20 Jahren ist die Gruppe zweier Schauspielerinnen, zweier Schauspielern und eines Musikers zusammen unterwegs. Eine gute Bindung, sie ist unabdinglich beim Improtheater. „Man muss sich voll aufeinander verlassen können“, sagt Wigge. Denn wenn er mal nicht weiß, was er auf die Anweisung „Horrorfilm mit Riesenpalme und Grasfröschen“ spielen soll, kommt sicher jemand anderes im Team auf eine gute Idee.
Extraschicht in Mülheim