Mülheim. . Mit neuem Wahlsystem will man deutlich mehr junge Menschen an die Urne locken. Wahlwoche in den Schulen geplant. Neuer Arbeitskreis soll helfen.

8,7 Prozent! Für Filip Fischer und seine Mitstreiter war die Beteiligung an der Wahl zum Jugendstadtrat (JSR) im Juli 2015 gelinde gesagt „katastrophal“. Zum einen habe das möglicherweise am vorherigen Jugendstadtrat gelegen, der politisch eher nicht so in Erscheinung getreten sei. Zum anderen, und da ist sich Filip Fischer absolut sicher, lag es am geltenden Wahlsystem. Um künftig deutlich mehr junge Menschen zum Urnengang zu motivieren, hat das Gremium verschiedene Vorschläge erarbeitet. Filip Fischer, der Vorsitzende, hat diese jetzt im Jugendhilfeausschuss vorgestellt.

Kandidaten aus vier Kategorien

Zunächst müsse dringend eine Reform des unliebsamen Wahlsystems her, meinen die 18 amtierenden Ratsmitglieder. Zwischen 15 und 20 Jahre alt sind sie und fast ausnahmslos von Mülheimer Schulen. Vor allem Gymnasien und Gesamtschulen seien im Jugendstadtrat traditionell gut vertreten, berichtet Fischer (19). Andere Gruppen jedoch, wie Hauptschüler oder Azubis, schickten oft überhaupt keinen Bewerber ins Rennen. Oder nur einen einzigen.

Da in vier Kategorien gewählt werde – a) Gymnasiasten, b) Gesamt- und Realschüler, c) Hauptschüler sowie d) andere Jugendliche –, reiche für Bewerber der dünn besetzten Kategorien zum Teil eine einzige Stimme aus, um in den Rat einzuziehen. „Da steckt ein guter Gedanke hinter“, sagt Fischer, „jede Schulform soll vertreten sein und auch Jugendliche in ganz unterschiedlichen Lebensphasen.“ Trotzdem spreche man sich klar gegen dieses System aus, da es zu ungerechten Ergebnissen führen könne. „Entscheidend dürfen nicht Kategorien sein, entscheidend muss sein, dass derjenige in den JSR einzieht, der die meisten Stimmen hat.“

Briefwahl soll abgeschafft werden

Apropos, die meisten: Im vergangenen Jahr waren es ja insgesamt extrem wenig Stimmen, die zusammenkamen. Die Wiederholung des traurigen Szenarios wollen Fischer und seine Mitstreiter künftig durch einen neuen Ablauf der Wahl verhindern: Anstelle der bislang geltenden, durchaus etwas komplizierteren Briefwahl soll im Sommer 2017 eine Wahlwoche an Mülheimer Schulen durchgeführt werden. Jede Schule sucht sich einen Tag aus, an dem Schüler- und Klassensprecher ein Wahllokal einrichten und eine Klasse nach der nächsten wählen geht, erklärt Fischer, seines Zeichens übrigens Schülersprecher der Gesamtschule Saarn. „In Oberhausen machen die das ähnlich – und hatten beim letzten Mal eine Wahlbeteiligung von über 70 Prozent.“

Jugendvertreter kritisieren kleines Budget

Bislang steht dem JSR ein Budget von 8000 Euro zur Verfügung. „Tatsächlich nutzen können wir allerdings nur 6000 Euro“, sagt Filip Fischer, „wegen der Sparmaßnahmen der Stadt.“ Da das Geld auch nur „eine freiwillige Maßnahme“ sei, müsse man Jahr für Jahr bangen, ob es überhaupt gezahlt wird.

Für die Aufgabe, die der JSR zu erledigen habe, sei das Geld zu wenig. Schon das angedachte Planspiel, bei dem Jugendliche für einige Tage in die Rolle von Kommunalpolitikern schlüpfen können, koste an die 7000 Euro. „Und wir müssen doch noch viel mehr Angebote machen, um interessant zu sein.“ Es stimme übrigens nicht, dass die Jugend kein Interesse an Politik habe.

Um auch jene Jugendlichen zwischen 14 und 21 Jahren zu erreichen, die nicht mehr zur Schule gehen, könne man ja vielleicht auch ein Wahllokal im Rathaus einrichten. Fischer hofft bei dem Thema jedenfalls auf „ein klares Bekenntnis und eine gelungene Kooperation“ von JSR, Stadt, Schulleitungen und Schülervertretern.

Dem 19-Jährigen macht das politische Engagement Spaß. Der JSR habe mehr Einflussmöglichkeit als er früher gedacht habe und das Gremium zeige gern an verschiedenen Stellen Profil und Gesicht. Ein neuer Arbeitskreis mit Vertretern aus Politik und Verwaltung soll alsbald zum einen dabei helfen, die künftigen Wahl-Modalitäten auszuarbeiten, zum anderen aber auch abklären, ob es den JSR-Vertretern künftig möglich ist, auch regelmäßig aktiv in anderen Ausschüssen dabei zu sein. „Wir wollen überall mitmischen, wo es um jugendrelevante Themen geht“, so Fischer.