Mülheim. Sie gehören unterschiedlichen politischen Jugendorganisationen an. Doch die Diskussion zeigt, in ihrem Stil sind sich junge Sozial- und Christdemokraten, Liberale und Grüne ähnlich: sachorientiert und pragmatisch.

„Mein geheimer Plan ist: Irgendwann mache ich mit Fabian eine schwarz-grüne Koalition.“ Marcel Helmchen lacht. Doch ein bisschen Wahrheit steckt in dem Scherz durchaus. Der 17-Jährige ist in der Schülerunion aktiv und macht bald am Gymnasium Broich sein Abitur. Genauso wie Fabian Jaskolla, der gerade zu einem der Sprecher der Grünen Jugend gewählt worden ist. Die Zwei kennen sich seit der 5. Klasse. Früher haben sie schon gemeinsam den Politikunterricht mit ihren Beiträgen aufgemischt, dann sind sie zusammen in den Jugendstadtrat gewählt worden. Doch schließlich trennten sich die Wege, zumindest in parteipolitischer Hinsicht: Der eine wurde schwarz, der andere grün. Aber das Gemeinsame überwiegt: Das Interesse an der Politik und der damit verbundene Wunsch, die Gesellschaft durch das eigene Engagement zu verbessern.

Sachlich, nicht polemisch

Dieser Idealismus klingt auch bei den anderen Vertretern der politischen Jugendverbände durch. Egal ob rot, schwarz, magenta oder grün, die Ziele, denen sie sich verschrieben haben, hören sich bei allen ähnlich an. Christian Völlmecke, Vorsitzender der Jusos, formuliert es so: „Ich will mehr soziale Gerechtigkeit. Der soziale Aufstieg muss für alle möglich sein. Aber so ähnlich würden das die Anderen vermutlich auch formulieren. Keiner sagt ja: Ich bin gegen eine gerechte Gesellschaft. Lediglich im Hinblick auf die Frage, welcher Weg da am besten hinführt, gibt es unterschiedliche Überzeugungen...“ So pflegen denn auch alle einen betont sachlichen Diskussionsstil. „Unsere Generation ist schon ziemlich pragmatisch“, ist der 26-jährige Völlmecke überzeugt. Politische Erfolge müssten auch nicht immer mit den ganz großen Fragen zusammenhängen, um tatsächliche Erfolge zu sein. „Ich bin Schülersprecher am Otto-Pankok-Gymnasium“, sagt Colin Sroca. „Wenn ich höre, in der dritten Etage brennt in der Toilette kein Licht und ich sorge dafür, dass dort neue Birnen eingedreht werden, dann ist das ein Erfolg.“

Ziemlich vernünftig, aber auch sehr brav. Bricht denn hier bei keinem mal die Streitlust aus? „Ich finde, Positionen sollten so formuliert sein, dass immer noch ein Kompromiss möglich ist“, sagt Marcel Helmchen. Und der Vorsitzende der Jungen Union, Darko Medic, bemüht, man merkt sein Politikstudium, sogar Max Weber. Dieser Klassiker unter den Politiktheoretikern hatte schon Anfang des letzten Jahrhunderts von den „drei Gesichtern der Macht“ gesprochen. „Nach diesem Ansatz gibt es drei verschiedene Formen, Menschen zu überzeugen. In der ersten wirkt das Argument. In der zweiten Variante entwickelt der andere im Verlauf der Diskussion, eine eigene Meinung. Bei der dritten aber schließlich wird der andere so beeinflusst, dass er es gar nicht merkt. Das ist Propaganda.“ Und natürlich, Medic will für sich nur die ersten beiden Formen gelten lassen.

Verständliche Sprache

Alle erleben aber auch, dass viele ihrer Freunde oder Klassenkameraden ein ganz anderes Bild von der Politik haben. Das, was die Jungpolitiker als sachgerechte Diskussion bezeichnen, erscheint manchen ihrer Altersgenossen als stromlinienförmig. Wie steht es um die Debattenkultur? Gibt es Tabus? „Gutmensch - so bin ich tatsächlich schon genannt worden“, sagt Filip Fischer. Der Vorsitzende des Jugendstadtrates, der auch in der Juso-Schülergruppe aktiv ist, kennt dieses „Unwort des Jahres“ aus Debatten in den Sozialen Netzwerken, vor allem zur Flüchtlingsfrage. Er findet eine etwas harschere Wortwahl aber gar nicht so schlimm und ist für eine deutliche Aussprache. „Wir müssen darauf achten, dass wir auch verstanden werden. Wir dürfen nicht so belehrend daher kommen.“ Es ist auffällig, dass alle hier Abitur machen wollen oder studieren. Und ein gewisser pädagogischer Elan bewegt die Jungpolitiker, auch hier über alle Parteigrenzen hinweg: Fabian Jaskolla und Filip Fischer wollen katholische Theologie und Sozialwissenschaften auf Lehramt studieren, Christian Völlmecke wird nach seinem Uni-Abschluss Lehrer für Mathe und SoWi sein. Der alte Witz, dass auch ein noch so leeres Parlament immer voller Lehrer sei, bewahrheitet der sich also auch in Zukunft? „Ich finde es hilfreich, dass ich auf der Gesamtschule bin. da treffe ich Leute aus allen Schulformen. Da wird auch verständlich geredet“, meint Fischer. Auch Darko Medic ist die Gefahr bewusst, zu leicht ins Fachchinesisch zu verfallen. Eine Patentlösung kennt er nicht.

Wie überhaupt, alle diese Jungpolitiker neigen nicht zu Kurzschlüssen. Dass es in der Politik darum gehe, dicke Bretter zu bohren - also Geduld und Ausdauer gefragt sind, dieses andere Max Weber-Zitat scheint bei ihnen Allgemeingut zu sein. Und ihre Vorbilder finden sie dafür nicht in Angela Merkel und Sigmar Gabriel, sondern vor Ort. „Es gehört viel Einsatz dazu, über Jahre hinweg, einen Ortsverband zu organisieren“, sagt Medic. „Das ist eine Leistung.“ Es gebe natürlich auch Lokalpolitiker, die eher abschreckend wirkten - Namen will keiner nennen - doch die meisten leisteten solide Arbeit. „Durch politisches Engagement lernt man, Verantwortung wahrzunehmen“, bilanziert Markus Schulz, Vorsitzender der Jungen Liberalen. Dazu gehöre, dass der Einsatz dauerhaft sei. Alle glauben, dass sie in zehn Jahren noch in Mülheim leben und politisch aktiv sind. Vielleicht sitzen dann auch tatsächlich manche mit anderen zusammen in einer Koalition. Und vielleicht sind dann auch ein paar Frauen dabei - diese Runde bestand schließlich nur aus Männern.