Mülheim.. Insbesondere der Zuzug von Flüchtlingen sorgt für kräftige Zuwächse bei der Arbeitslosigkeit in Mülheim. Sozialagentur-Chef fordert mehr Mittel für die Integration.
Der große Arbeitsplatzabbau in gleich mehreren großen Industriebetrieben der Stadt steht noch bevor – und doch kletterte die Arbeitslosenzahl schon innerhalb der vergangenen zwölf Monate auf ein bedenkliches Hoch: Aktuell sind 7283 Mülheimer offiziell als arbeitslos registriert, das übertrifft schon jetzt die Zahlen aus den vergangenen Mülheimer Krisenjahren 2010 und 2011.
Und das tatsächliche Ausmaß der Arbeitslosigkeit ist noch deutlich größer: Aktuell sind nämlich 9425 Mülheimer ohne regulären Job am ersten Arbeitsmarkt. Die Differenz zur offiziellen Arbeitslosenstatistik erklärt sich in einem Bundesgesetz, das etwa Teilnehmer an Qualifizierungen, Weiterbildungen und anderen Arbeitsmarkt-Maßnahmen sowie Ein-Euro-Jobber nicht als arbeitslos sehen will.
Anstieg der Arbeitslosenzahl um 12,1 Prozent seit März 2015
Davon abgesehen: Der Negativtrend ist eindeutig. Seit März 2015 ist die Arbeitslosenzahl in Mülheim um 12,1 % gestiegen. Das Problem ist bei der Sozialagentur angedockt, die den Hartz-IV-Sektor betreut: Hier steht gar ein Anstieg von 18,2 % binnen Jahresfrist zu Buche, während die Agentur für Arbeit sogar an weniger Mülheimer Arbeitslosengeld I zu zahlen hat.
Klaus Konietzka, Leiter der Mülheimer Sozialagentur, macht den enormen Anstieg im Wesentlichen an dem Zuzug von Flüchtlingen fest: 560 arbeitslose Ausländer mehr weist die Statistik im Vergleich zum Vorjahr aus. Der Trend werde sich aufgrund der Flüchtlingswelle in diesem Jahr fortsetzen, sagt Konietzka. Seine Behörde erwarte allein für 2016 einen Zuwachs von 1000 Personen, die aus dem Asylbewerberleistungsgesetz in die Grundsicherung rüberwechseln.
Fast 10 000 Haushalte leben von „Hartz IV“
Die Zahl der Mülheimer Haushalte, die auf Leistungen nach „Hartz IV“ angewiesen sind, nähert sich schon jetzt der bedenklichen 10.000er-Marke. Mit Blick insbesondere auch auf den Flüchtlingszuzug mahnt Konietzka an, dass von Bund und Land mehr Geld für die Eingliederung gegeben, in die Sprachförderung und berufliche Erprobung investiert wird. „Als Kommune alleine können wir das nicht schaffen.“
Den Flüchtlingen mit Bleibe- auch eine berufliche Perspektive zu geben, sei eine Mammutaufgabe, „die die Stadtgesellschaft nur im Zusammenwirken aller Akteure schaffen kann“, sagt Konietzka und kündigt an, in Kooperation mit dem Diakoniewerk Arbeit & Soziales alsbald sogenannte Integrationsgelegenheiten, Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge, anzubieten. Sie können sich dann etwa bei der Tafel, in der Schreinerei, Schneiderei, Elektrowerkstatt oder am Recyclinghof beweisen. Konietzka fordert nicht erst seit gestern einen öffentlich geförderten dritten Arbeitsmarkt.
Firmen melden mehr Ausbildungsplätze
Erfreuliche Nachrichten gibt es für Berufseinsteiger aus Mülheim: Hiesige Unternehmen haben der Agentur für Arbeit seit Beginn des aktuellen Ausbildungsjahres (Oktober 2015) deutlich mehr zu besetzende Lehrstellen gemeldet als im Vorjahr.
In Zahlen: Der Arbeitgeberservice der Arbeitsverwaltung konnte zum Stichtag 31. März 130 freie Ausbildungsstellen mehr einwerben als zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2015. Insgesamt konnte die Mülheimer Agentur jungen Menschen bislang 928 freie Stellen bei örtlichen Arbeitgebern anbieten. Aktuell sind laut Bericht zum Ausbildungsmarkt noch 598 Stellen unbesetzt.
Statistisch gibt es für jeden Bewerber eine offene Stelle
Dem gegenüber stehen aktuell 527 Bewerber, die noch eine Stelle suchen. Rein theoretisch wäre für jeden ein Ausbildungsplatz vorhanden, oft passen Angebot und Nachfrage hier aber nicht überein. Traditionell sieht die Situation am hiesigen Ausbildungsmarkt deutlich besser aus als in Oberhausen. Dort sind aktuell noch 1049 Bewerber auf der Suche, die Agentur kann ihnen aber nur 434 Stellen anbieten.
Aktuell sind 272 junge Mülheimer unter 25 arbeitslos (Quote: 3,7 %). Für eine Beurteilung der Marktsituation sei es noch zu früh, freut sich Agentur-Chef Jürgen Koch dennoch über den Zuwachs an Lehrstellen.