Mülheim. Das „Makroscope“ ist mit seinen alten Foto-Kopierern sowie anderen Geräten Museumund Experimentierfeld zugleich. Die Macher möchten mehr für kulturelle Bildung tun
Kommt man Exponaten in Museen zu nahe, gibt’s einen Rüffel vom Aufpasser. Ganz anders ist das im „Makroscope“, das ausdrücklich die Wortspielerei „Useum“ im Untertitel trägt. Denn Anpacken, Tüfteln und Experimentieren ist mit den alten Geräten, ausrangierten Kopierern, Kameras, Projektoren, Faxgeräten, schwarzen Vinyl-Scheiben, Audio-Disketten und anderen „prähistorischen“ Dingen aus der Vorgeschichte unserer medialen, „mikroverchippten“ Gesellschaft ausdrücklich erwünscht.
Kreative Tüftler profitieren
Wie solche Gerätschaften zum Mischpult für visuelles Sampling, zu künstlerischen Drucktechniken oder zur bildnerischen Gestaltung beitragen können, davon haben kreative Tüftler schon profitiert. Ganz vorne Jan Ehlen und sein Team des Shiny Toys-Festivals für audiovisuelle Experimente. Neben den Shiny Toys hat auch das Vinyl-Label Ana Ott im „Useum“ eine Heimat gefunden. Jan Ehlen, der Copy Art Künstler und Graphik-Designer Klaus Urbons sowie Kollegin Gabriele Klages, die „Upcycling“ zu einem Kunstgriff gemacht hat, zählen zu den Gründern des Museums zur Geschichte der Alltagstechnik.
Untergebracht ist es in den ehemaligen Lagerräumen des Schreibwarengeschäftes Prüssmann, wo jetzt die Klima-Initiative sitzt, an der Friedrich-Ebert-Straße 48 (gegenüber dem Rathausturm). Das liebevoll genannte „Makro“ ist Kreativlabor, Zentrum für Kunst und Technik und Veranstaltungsort für Ausstellungen, Experimentalvorträge und Konzerte. So steht die Chemikerin und Fotopionierin Edith Weyde (1901 bis 1989) im Mittelpunkt der Multimedia-Show am 28. April zum Girl’s Day. Die Erfinderin aus dem Rheinland hatte die „Blitzkopie“ Anfang der 40er-Jahre entwickelt.
Ein Museum zum Benutzen
Die Idee des „Makro“ war, „ein Museum zum Benutzen zu schaffen, in dem Kunst und Technik zusammen vermittelt werden“, sagt Klaus Urbons. Darüber hinaus „mit alten Dingen, die heute kaum noch jemand kennt, wieder junge Leute zu interessieren“, fügt Gabriele Klages an. Schließlich sind die Vorläufer die Basis unserer modernen Technik und was den Bereich Film betrifft, auch eine starke Säule im Mülheimer Kunstschaffen. Schulklassen kommen hin und wieder vorbei. „Aber leider noch viel zu wenig“, sagt Urbons. Er wünscht sich, dass Führungen von Schulklassen durch das „Makro“, ähnlich wie etwa beim Ledermuseum, ebenso auf dem Stundenplan stehen. Denn das Kopieren, und damit die Reproduzierbarkeit, war ein Meilenstein in der technischen Entwicklung, aber auch bahnbrechend für die Kunst. „Kopieren“, sagt Klaus Urbons, „war die erste Technik und bildete den Anfang dessen, was wir zum einen Leben und zum anderen Kommunikation nennen.“ Als Verein organisiert, wird der Verein für seine kulturelle Bildung vom Landesverband Rheinland und der Stinnes-Stiftung gefördert.
Doppelkonzert am 1. April
Am morgigen Freitag, 1. April, 20 Uhr, spielen zwei Bands aus England und den Niederlanden im „Makroscope“ an der Friedrich-Ebert-Straße 48 (gegenüber dem Rathausturm).
Das Duo „Part Wild Horses Mane On Both Sides“ aus Manchester improvisieren Kelly Jones und Pascal Nichols. Jones mit Flöten, Tapes und Electronics, Nichols an Percussions und diversen Gegenständen. Dabei entstehen meditative Klangwelten, die zum Eintauchen in den Moment einladen.
Es spielt außerdem das Duo „JSCA“ aus Rotterdam. Statische Maschinenmusik und pulsierende Signale treffen auf kühlen Gesang.
Beginn der Veranstaltung ist um 20 Uhr. Weitere Infos auf www.makroscope.eu
Zur Vermittlung von Wissen dient ein neuer Katalog, den Klaus Urbons mit vielen Bildern reizvoll gestaltet hat. Kurzweilig und unterhaltsam geben die Beiträge mit Themen zur Technik- und Mediengeschichte, zu Kopier-Arten, Kunst, Musik und Gesellschaft einen Einblick in ein neues Zeitalter. Das Buch ist in einer Auflage von 100 Stück erschienen, kostet 30 Euro und kann auch „auf Anfrage kostenlos heruntergeladen werden“, so Urbons. Es sind ausgerechnet die multimedialen Nachfahren, die ihre Vorgänger erst überflüssig machten, und nun die guten alten Schätzchen wieder in den Fokus befördern: Denn durch das Internet werden Spezialisten aus aller Welt auf das „Makroscope“ in Mülheim aufmerksam.
Internationale Künstler im „Makro“
So präsentierte der Italiener Mario Santor-Woith eine Copy Art-Schau und der Amerikaner Tom Carpenter experimentierte im vergangenen Jahr mit Elektrofotografie auf einem alten Xerox-Kopierer in Mülheim. Das „Makro“ steht lokalen, regionalen und internationalen Künstlern offen, die mit ihren Werken einen Dialog mit anderen Genres eingehen. Alles in allem erscheint das Haus als ein „Gesamtkunstwerk“, das nur schwerlich kopierbar ist.