Saarn. . Der kulinarische Rundgang „Saarner Häubchen“ von der MST lockt Leute aus Saarn – aber auch Gäste von auswärts an.

Der Reiz am Dorf Saarn spricht sich herum – bis nach Niederkassel, rund 80 Kilometer von Mülheim entfernt. Wolfgang (66) und Monique Schirrmeyer (67) kommen von dort und träumen davon, an die Düsseldorfer Straße zu ziehen. „Es ist einfach dieses Gefühl hier“, sagt Wolfgang Schirrmeyer, „aber man kann es schwer in Worte fassen, was einen so wohl fühlen lässt“.

Er versucht es trotzdem: die Zentralität und gleichzeitige Nähe zum Grünen, die Architektur vieler Häuser und: die „vielen schönen Lädchen“. Natürlich. Denn wegen denen sind die Schirrmeyers heute vor allem da: beim Stadtrundgang durch Saarn wollen sie Köstlichkeiten schnabulieren und sich dabei noch mehr in den Stadtteil verlieben.

Die Tour „Saarner Häubchen“ wird seit drei Jahren vom Mülheimer Stadtmarketing (MST) veranstaltet. Zwar wird auch in Bücherläden oder Galerien ein Halt gemacht und werden Kapitel der Stadtteil-Geschichte aufgeschlagen, aber, wie das Wortspiel im Namen schon sagt, soll die Tour vor allem als kulinarischer Spaziergang verstanden werden. Jedes Mal nehmen rund 20 Feinschmecker an der Tour teil, Wolfgang und Monique Schirrmeyer sind da aber eher die Exoten. Die meisten leben in Saarn, sind gar Ur-Saarner.

Erster Stopp bei der Sylter Eismanufaktur

Und die kennen ihren Stadtteil natürlich wie ihre Westentasche. Große Überraschungen erwartet deswegen kaum einer in den drei Stunden. Saarnerin Barbara Oellerich (69) möchte es eher mit dem Umstellen von Möbeln in der Wohnung vergleichen: „Mal Gewohnheiten brechen, mal in Läden gehen, an denen man ansonsten immer vorbeiläuft“. Erste Station, ein Treffer: Die Stadttour beginnt traditionell mit einem Stopp bei der Sylter Eismanufaktur „La petite vie“, die auf veganes Eis spezialisiert ist. Veganes Eis? „Also das kenne ich noch nicht“, sagt Oellerich, obwohl sie beim Italiener gegenüber oft Essen war. So schnell geht das mit dem Möbelumstellen im Kopf.

Herbert Heintges (76) nimmt aus ganz ähnlicher Absicht an dem Rundgang teil – und obwohl er sein Leben lang in Saarn verbracht hat, fühlt er sich für einen kurzen Moment wie ein Tourist in seiner Heimat: Als die Gruppe den Hinterhof zum Atelier vom Künstler Peter Dürr betritt, zuckt Heintges direkt sein Handy, um ein Foto zu machen. „Also hier war ich noch nie!“, sagt er. Wie war das mit den Überraschungen?

Eine seiner schönsten Entdeckungen

Neubacken sind für den ein oder anderen auch die historischen Häppchen, die Gruppenführer Georg Reinders serviert – wenn gerade nicht Südtiroler Schopfspeck im Delikatessen-Keller Menzen oder mediterrane Dips auf dem Wochenmarkt probiert werden. Dass sich Pastor Ewald Luhr, dem der Saarner Marktplatz gewidmet ist, nach dem Zweiten Weltkrieg der britischen Besatzungsmacht als Austauschhäftling für einen Kriegsgefangenen angeboten hatte, „das wusste ich beispielsweise überhaupt nicht“, sagt Evelin Steinbrink (65), die vor über 40 Jahren von Duisburg nach Saarn gezogen ist. „Aber um so etwas zu wissen, muss man wohl in Saarn geboren sein“, sagt sie.

Oder eben: an einem Rundgang teilnehmen. Die Gäste aus dem fernen Niederkassel wissen jetzt jedenfalls mehr als der ein oder andere Alt-Saarner – und das, obwohl sie hier noch nicht hingezogen sind. „Es gibt so viel auf der Welt zu entdecken“, sagt Wolfgang Schirrmeyer. Und Saarn ist tatsächlich eine seiner schönsten Entdeckungen.