Mülheim. . Eine Familie aus Ghana, in Mülheim bestens integriert, soll am Mittwoch abgeschoben werden. Kindergarten-Eltern, Kirche und Freunde kämpfen für sie.

Ruhig, aber mit Tränen in den Augen sitzen Mabel und Nicholas Adjei auf ihren Stühlen. Ihre innere Unruhe können sie nicht verbergen, drehen immer wieder einen Brief in ihren Händen. Seit fünf Tagen wissen die Eltern von vier Kindern: Sie sind in ihrem neuen Styrumer Zuhause nicht erwünscht. Spätestens am Mittwoch sollen sie Deutschland verlassen und nach Ghana abgeschoben werden. „Das wäre für uns die Hölle“, sagt Nicholas Adjei mit erstickter Stimme. Ein Einzelfall, der zeigt, wie kompliziert und ungerecht Asylrecht auf Betroffene und Freunde wirkt.

Freunde aus Schule und Kita helfen

Das junge Paar lebt mit seiner Tochter Esther (7) und Sohn Emmanuel (4) sowie anderthalbjährigen Zwillingen seit mehr als zwei Jahren in Styrum. „Wir haben gerade eine schöne Wohnung bezogen, wo wir endlich genug Platz haben. Wir brauchen nicht mehr alle sechs in einem Raum zu leben“, freut sich Mabel Adjei. Und ihr Mann ergänzt: „Ich habe endlich Arbeit, packe und verlade Kisten in einem Lager in Oberhausen.“ Das Ehepaar ist fassungslos: „Und jetzt soll das alles in wenigen Tagen zu Ende sein? Styrum ist jetzt unser Zuhause. Wir fühlen uns sehr wohl hier und haben gute Freunde gefunden.“ Die sind nach der Nachricht von der drohenden Abschiebung sofort aktiv geworden.

Flüchtlinge in DuisburgDer Elternrat des Kindergartens hat überlegt, was „wir alles gegen die Abschiebung unsere Freunde unternehmen können“. Zwei Mütter haben Anwälte, kirchliche Stellen und weitere Helfer eingeschaltet. Widerspruch und Aufschiebungsantrag gegen die Abschiebung sind auf den Weg gebracht. „Aber am Wochenende konnten wir nicht mehr viel ausrichten“, sagt Michaela Schmidt.

Beschleunigte Abschiebung

Aber die Zeit ist denkbar knapp, weil die Bundesregierung das neue Asylrecht bereits am Wochenende in Kraft gesetzt hat. Danach gilt für abgelehnte Asylbewerber die „beschleunigte Abschiebung“. Da passt es in den Zeitplan, dass die Familie Adjei bereits am Mittwoch, 28. Oktober, in ein Flugzeug Richtung Ghana gesetzt werden soll. Von Abschiebung „in größerem Stil“ ist bereits die Rede. „Gehören die Adjeis zu den ersten, weil ,A’ oben auf der Liste steht?“, fragen sich die besorgten Freunde.

Familie Adjei kann aus ihrer Sicht nicht zurück nach Ghana. Nicholas’ Vater hat den eigenen Sohn vor die Tür gesetzt, weil der sich zum Christentum bekennt. Esther, die älteste Tochter von Mabel und Nicholas Adjei, sollte in Ghana beschnitten werden, gar von Menschenopfer ist die Rede. „Mein Vater hat mich deswegen bedroht. Ich konnte noch mit meiner Frau und dem Kind flüchten“, blickt der Mann ängstlich zurück. Weil sein Vater ein mächtiger Mann in Ghana sei, „wird er uns finden, uns Gewalt antun oder uns töten, sobald wir dort angekommen sind.“

Freunde sagen, die Familie sei zu 100 Prozent integriert 

„Für die Familie Adjei ist Ghana kein sicheres Herkunftsland, wie es die Bundesregierung meint“, erklärt Michaela Schmidt. Andere Mütter aus dem Elternrat des städtischen Kindergartens in Styrum, den der vierjährige Sohn der Familie besucht, unterstützen sie dabei. Die vor anderthalb Jahren in Styrum geborenen Zwillinge sollen demnächst den gleichen Kindergarten besuchen. „Die Tochter der Adjeis geht mit meinem Sohn in die zweite Klasse und ist zu 100 Prozent integriert“, beschreibt Michaela Schmidt.

Diese Zukunftspläne sind für Familie Adjei und deren Freunde seit wenigen Tagen wie eine Seifenblase zerplatzt. Nach mehr als sechs Jahren Flucht glaubten die Adjeis, in Styrum endlich ein ruhiges Zuhause gefunden zu haben und dort bescheiden ihre Zukunft aufbauen zu können. „Wir sind damals mit ein paar Taschen voller Kleider zu Fuß nach Libyen geflohen. Als dort die Bürgerkriegskämpfe ausbrachen, war es dort auch nicht mehr sicher“, erinnert sich Nicholas Adjei. Sie haben dann ein Boot nach Italien genommen.

Hoffnung auf Aufschub der Abschiebung

Auf Sardinien fanden sie eine Bleibe. Dort war dann auch nach knapp zwei Jahren Schluss. „Wir haben auf dem Bahnhof gelebt und Geld für die Fahrkarten gesammelt. Was sie noch alles an Repressalien in diesen sechs Jahren erlebt haben, mag niemand erfragen. Ob die Freunde der Familie Adjei heute eine Aufschiebung der Abschiebung bei der Ausländerbehörde erwirken können? – alle Beteiligten hoffen das. „Für die Kinder wäre eine Abschiebung besonders fatal, weil sie in ein für sie völlig fremdes Land kämen, wo sie nicht nur Anfeindungen ausgesetzt wären“, betont Michaela Schmidt. Die städtischen Behörden waren für eine Stellungnahme am Wochenende nicht zu erreichen.

„Sagt nichts unseren Kindern davon. Die sollen sich so lange wie möglich glücklich fühlen“, bitten Mabel und Nicholas Adjei. Dabei drücken sie beide Daumen in die Fäuste und hoffen, dass auch sie bald wieder lächeln können.