Mülheim. . Summen, Rauschen, Plätschern oder Pfeifen: Ein Tinnitus kann sich bei jedem Patienten anders bemerkbar machen. Ein Infoabend in Mülheim.

Um Tinnitus und seine Behandlung dreht sich der Vortrag beim nächsten Doc-Treff am Mittwoch, 28. Oktober. Ein komplexes Thema, wie der Referent, HNO-Arzt Dr. Slavomir Biedron, im Interview erklärt.

Was versteht man unter Tinnitus?

Dr. Biedron: Es ist ein Ohrgeräusch – Tinnitus bedeutet auf Lateinisch Klingeln – aber wir unterscheiden jene Geräusche, die nur vom Betroffenen wahrgenommen werden, und Ohrgeräusche, die auf Körpergeräusche zurückzuführen ist, also etwas, das auch der Arzt hören kann. Davon abgrenzen muss man noch akustische Halluzinationen – Töne, Musik, Stimmen, die jemand wahrnimmt, ohne dass es ein anderer tut.

Wer ist von Tinnitus betroffen?

Dr. Biedron: 5 bis 15 Prozent der Gesamtbevölkerung leiden daran. Das Spektrum ist bunt gemischt, es gibt Patienten in jedem Lebensalter. Die Psyche spielt auch beim Tinnitus eine Rolle: Ohrgeräusche könne durch psychische Aspekte verstärkt werden.

Bei den Betroffenen ist der Leidensdruck immer hoch...

Dr. Biedron: Sehr hoch. Die Belastung entsteht vor allem durch die Beschwerden, die mit dem Tinnitus einhergehen: Schlafstörungen, Überempfindlichkeit gegen Geräusche, Vermeidungsverhalten – wenn man die Ohrgeräusche in bestimmten Situationen besonders stark erfährt.

Wie entsteht ein Tinnitus?

Dr. Biedron: Beim Tinnitus gibt es so viele Ursachen, dass man sogar von einem Tinnitussyndrom sprechen könnte. Der eine hat vielleicht nur Ohrgeräusche, weil sein Blutdruck erhöht ist. Der nächste hat den klassischen Tinnitus, also Ohrgeräusche ohne weitere Ursache, was verschieden empfunden werden kann: Summen, Rauschen, Plätschern oder Pfeifen.

Die wichtigste Frage für Betroffene ist sicher: Geht das wieder weg?

Dr. Biedron: Wer schlecht hört, hat häufig Ohrgeräusche. Man nimmt an, dass das Ohrgeräusch ein Phantomempfinden ist, ähnlich wie ein Phantomschmerz. Wo keine Töne im Gehirn ankommen, kann es selbst welche formen. Ein Hörgerät kann da schon sehr vielen Patienten helfen. Ein Ohrgeräusch, das durch eine andere Ursache entsteht, kann aber genau denselben Effekt haben.

Wie geht der HNO-Arzt vor?

Dr. Biedron: Die Ursachen eines Tinnitus müssen genau abgeklärt werden, damit sie eventuell auch ursächlich behandelt werden können. Hat ein Patient etwa Probleme am Kiefergelenk oder an der Halswirbelsäule oder hohen Blutdruck, so wird ein Fachkollege zur Behandlung eingeschaltet. Auch eine akute Hörsturz-Therapie kann Hörfähigkeit und Ohrgeräusche wieder verbessern.

Wie wichtig ist das Gespräch?

Dr. Biedron: Der HNO-Arzt muss den Patienten ausführlich beraten, denn nicht jeder Tinnitus muss als Erkrankung gesehen werden. Man weiß, dass 94 Prozent der Hörgesunden in einem schalldichten Raum nach fünf Minuten ein Ohrgeräusch entwickeln. Denken Sie nur an die Muschel, die man am Ohr rauschen hört! Das ist ja nicht zwangsläufig krankhaft. Oft kann man die Betroffenen beruhigen – und das Ohrgeräusch verliert sich mit der Zeit dann von selbst.

Und wenn nicht?

Dr. Biedron: Dann kann man gezielt therapieren. Die kognitive Verhaltenstherapie bei einem Psychotherapeuten ist derzeit als wichtigste Therapie etabliert, um den Patienten dazu zu bringen, das Geräusch weniger oder gar nicht mehr wahrzunehmen.

Kann man Tinnitus vorbeugen?

Dr. Biedron: Wenn er auf eine Lärmschädigung zurückzuführen ist, ja: Etwa an einem lauten Arbeitsplatz die Ohren schützen oder nicht zu laut Musik hören.

Um Anmeldung wird gebeten

Der „Doc-Treff“ ist eine regelmäßige Patientenveranstaltung des „Doc-Net“ Mülheim. Das Netzwerk der niedergelassenen Haus- und Fachärzte ist ein Zusammenschluss von Ärzten aller Fachrichtungen in Mülheim. Am kommenden Mittwoch, 28. Oktober, referiert der Mülheimer Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Slawomir Biedron über das Thema: „Mann im Ohr – Tinnitus und Tinnitusbehandlung“. Der Beginn der Veranstaltung ist um 18 Uhr.

Wie immer findet die Patientenveranstaltung, die mehrmals im Jahr angeboten wird, in der Evangelischen Familienbildungsstätte (Scharpenberg 1 b in der Stadtmitte) statt. Der Eintritt ist kostenfrei. Da jedoch nur eine begrenzte Anzahl von Sitzplätzen vorhanden ist, wird dringend um vorherige telefonische Anmeldung in der Evangelischen Familienbildungsstätte gebeten.

Unter der Telefonnummer 300 - 3333 kann man sich von Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 12.30 Uhr, sowie mittwochs bis 15 Uhr, anmelden, falls es noch freie Plätze gibt.

Im Anschluss an seinen Vortrag, der sich um die Diagnose sowie die Behandlungsmöglichkeiten von Tinnitus dreht, beantwortet Dr. Slawomir Biedron Fragen aus dem Publikum.