Mülheim. . Copy & Waste stellt in „Ruckzuck in die Zukunft“ viele Fragen: Was ist wichtig in der Stadt von morgen? Wie wollen wir leben? Worauf kommt es an?
Die verwickelte Geschichte des verrückten Science-Fiction Films „Zurück in die Zukunft II“ mit seinem Hin und Her durch Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit stand Pate für die neue Produktion des achtköpfigen Teams von Copy & Waste: „Ruckzuck in die Zukunft“. Das Theaterkollektiv, vor Ort bekannt durch die Inszenierungen des Musicals „Barbarellapark“ und die „54. Stadt“, hat zum Thema seiner schrägen und äußerst unterhaltsamen Zeitreise den urbanen Wandel in „Hill Valley“ gemacht. Dafür hat das Kollektiv am vergangenen Wochenende die Dezentrale an der Leineweberstraße in einen Concept-Store namens „Cupcakes & Time Travel“ umgewandelt, den Besuchern tagsüber Kuchen und nachts Zeitreisen in „Time Travel Workshops“ angeboten.
In den Workshops wurden die „Reisenden“, also das Publikum, von den drei futuristisch gekleideten, abwechselnd Deutsch und Englisch sprechenden „Reiseleitern“ in den Bann gezogen, mit meditativer Entspannung auf den Trip vorbereitet. Eine D-Jane am Mischpult spielte coole, urbane Musik, Hochhaus-Wohnsiedlungen flackerten über die aufgestellten Monitore.
Auch der Jugendwahn war Thema
Große Lebens-Fragen wurden von den Schauspielern in pausenlosen, verwirrenden Dialogen an die Reisenden gestellt: „Was wollen und können wir mit unserer Reise verhindern – dass es geschieht, oder eben nicht geschieht?“ Auch der Jugendwahn war Thema: „Wie schaffe ich es nur, mir meinen jugendlichen Spirit zu bewahren?“ Oder die Stadtentwicklung: „Vom Abbruchviertel zum Aufbruchviertel.“ Wollen wir ein cooles Umfeld schaffen mit vielen Künstlern und alternativen Läden oder soll alles so bleiben, wie es früher war? Klar wurde, dass nach dem Wandel zum angesagten Quartier die Immobilienpreise ins Unermessliche steigen und die alten Bewohner weichen müssen. „Starbucks überall, Concept Stores überall, riesige LED-Wände überall“, beklagten die Schauspieler, und „Wo sind die Kulturvereine? Wo sind die Nagelstudios geblieben? Wo ist meine Stadt geblieben.“ Es ging darum, wie und wo wir leben wollen, wie unsere Stadt aussehen soll.
Theater zur städtischen Kultur im 21. Jahrhundert
Die Idee zum Stück kam Jörg Albrecht 1999 durch die Erinnerung an seine Zeit als Austauschschüler in Omaha: „1999 haben die Schüler Deutsch gelernt mit der Synchronfassung des Films ,Zurück in die Zukunft’ von 1985.“ Das Stück wurde für und in Berlin entwickelt.
Das Theaterkollektiv Copy & Waste arbeitet seit 2007 mittels Performance, Installation und Theater zur städtischen Kultur des 21. Jahrhunderts. Gegründet wurde es von Schriftsteller Jörg Albrecht und Steffen Klewar, Regisseur und Schauspieler.
Immer wieder tauchten auf den Projektionsflächen der zur Zeitmaschine umgebaute DeLorean mit Dr. Brown und Marty McFly auf. Wiederholt wechselte das Publikum seine Perspektive, wurde an andere Orte geleitet. „Stagnation ist meine Utopie“, riefen die Protagonisten zum Trotz, und beklagten, dass die Zeit die Welt regiert, Uhren die Waffen der Zukunft seien. „Wir hätten im Wald bleiben sollen.“
Amüsiert genossen die Besucher die entspannenden Showeinlagen: den Hit „Power of Love“, als Besen-Tanz vorgeführt, oder den „Saunagang“ mit halbnackten Schauspielern, die sich, während sie dekadente Lifestyle-Gespräche führten, unentwegt inmitten des Publikums mit Sprühflaschen befeuchteten. Zum Ende, die Darsteller befanden sich mittlerweile draußen auf der Verkehrsinsel, wurde der Blick der Zeitreisenden auf die eigene Stadt gerichtet. Großer Applaus für einen unterhaltsamen und nachdenklich stimmenden Abend.