Mülheim. Die katholischen Pfarreien müssen ihren Etat bis 2030 halbieren. Sie entscheiden diesmal selbst, wo gekürzt wird. Seelsorge hat höchste Priorität.
Kirchenschließungen, Abrisse von Kirchtürmen, Entlassung von kirchlichem Personal – die massive Sparunde, die 2006 ihren Anfang nahm, ist kaum verarbeitet, da steht die nächste Sparunde in den Gemeinden an. Die wird nicht minder hart ausfallen. Die Kirchengemeinden im Bistum müssen ihren Etat halbieren. Mancher könnte vom Glauben abfallen....
So recht kann sich noch keiner vorstellen, wie das erfolgen soll, sagt der Verwaltungsleiter der Kirchengemeinde Mariä Geburt, Wolfgang Cukrowski. Selbst so eine große Gemeinde mit fünf Standorten und 18.000 Gemeindemitgliedern lebt nicht in paradiesischen Verhältnissen und verfügt gerade mal über 350.000 Euro im Jahr, davon muss alles jenseits des Gehalts für die Priester und Gemeindereferenten finanziert werden.
Erste Runde hat stattgefunden
„80 Prozent der Ausgaben sind Personalkosten“, sagt Cukrowski. Heißt: Auch dort werden Kürzungen kein Tabu sein. Selbst über die Einnahmen, wie etwa aus Vermietungen, kann die Pfarrei nicht voll und ganz verfügen. 60 Prozent davon gehen ans Generalvikariat, das damit eine Art Feuerwehrtopf einrichtet, aus dem dann Gemeinden bei Engpässen oder großen Ausgaben unterstützt werden können.
Anders als vor zehn Jahren wird diesmal nicht der Bischof vorgeben, wo was wegfallen soll. Die Gremien in den Gemeinden selbst werden in den nächsten zwei Jahren ein Konzept erarbeiten, das letztlich der Bischof nur noch absegnen muss. Die erste Runde dazu hat stattgefunden.
"Eure Probleme möchten wir haben"
Bisher gehört alles noch ins Reich der Überlegungen. Fest steht jedoch: „Wir werden ökumenischer werden“, sagt Stadtdechant Michael Janßen. Die gemeinsame Nutzung von Kirchen wird in Mülheim kommen, wie es sie anderswo schon gibt. Nicht zuletzt, sagt der Vorsitzende des Mülheimer Katholikenrates Rolf Völker, werde mehr denn je der Ehrenamtliche in der Kirche gebraucht. Vermehrt werden geschulte Laien wie Völker Wortgottesdienste halten, Menschen beerdigen, verlängerter Arm des Pfarrers sein – alles zum Nulltarif. Janßen denkt dabei an die Verkünder des Wortes in Lateinamerika, die mit Begeisterung diese Aufgabe leisten.
Überhaupt wünscht sich der Stadtdechant, dass die Kirche in Deutschland weniger auf das Geld schaut als vielmehr von der Weltkirche lernt. Priester aus Lateinamerika, die regelmäßig auf dem Kirchenhügel in Mülheim zu Gast seien, sagten oft: „Eure Probleme möchten wir haben!“
"Anders als früher"
Bei allen anstehenden Einsparungen hat für den Stadtdechanten die Seelsorge absolute Priorität. „Sie muss vor Ort für die Menschen verortet bleiben.“ Viele Ältere könnten keine weiten Wege zurücklegen. Ein Ziel, das angesichts der schrumpfenden Priesterzahl nur mit Laien zu meistern sein wird. Auch möchte der Stadtdechant lieber auf Gemeindehäuser, denn auf weitere Kirchtürme verzichten, die den Menschen in der Stadt signalisieren: Wir sind weiterhin da!
Die Gestaltung der Kirche von morgen ist für Vorsitzenden des Katholikenrates vor allem auch eine Aufgabe der jungen Leute. Janßen ist da guten Mutes, sieht, dass ein Großteil der Jugend sehr wohl zur Kirche steht – „anders als früher.“ Darauf will er aufbauen und hat Jugendliche aus allen Mülheimer Gemeinden zu einer Schifffahrt eingeladen. „Wir sitzen alle in einem Boot“, war die Botschaft. Dahinter steckt dann auch der Glaube, dass – wie in der Bibel – einer darüber seine Hand hält.