Mülheim. . „Sehr akzeptierend“, findet Torsten Schrodt vom Sozialverein für Lesben und Schwule. Dennoch befürworten nicht alle Lokalpolitiker das Hissen der Regenbogenflagge am Rathaus.

Während in den USA vergangene Woche bereits die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern legalisiert wurde, gingen dafür in vielen Städten Deutschlands am Wochenende Tausende bei Paraden zum Christopher Street Day auf die Straßen. Sie tanzten für eben diese Gleichstellung. Wie ist tolerant und offen ist Mülheim eigentlich?

Toleranz ist ein Wort, das Torsten Schrodt nicht mag. Der Geschäftsführer des Sozialvereins für Lesben und Schwule (SVLS) verweist auf den lateinischen Ursprung „tolerare“, der sich mit „ertragen“ oder „erdulden“ übersetzen lässt.

Akzeptanz ist ihm deshalb lieber als Toleranz – und die bescheinigt er den Mülheimern durchaus. Ein deutlich sichtbares Zeichen dessen ist die Regenbogenflagge, die am gestrigen Sonntag anlässlich des Christopher Street Days am Rathausturm gehisst wurde.

Für die Akzeptanz vielfältiger Lebensformen

Der SVLS nutzte den Christopher Street Day, um sich „für die Anerkennung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen einzusetzen“. Zudem symbolisiere der Regenbogen gesellschaftliche Vielfalt und wende sich gegen die Ausgrenzung von Menschen aufgrund von Merkmalen wie Geschlecht, Herkunft oder Alter.

Eine Aktion des SVLS am Rathaus sollte ein sichtbares Zeichen für die Akzeptanz vielfältiger Lebens- und Liebesformen setzen. Info: www.svls.de

Natürlich, sagt Torsten Schrodt, gibt es auch in Mülheim Homophobie und Ausgrenzung. Nicht jeder befürwortet die Vielfalt, die der SVLS etwa durch schwul-lesbische Jugendarbeit im Jugendzentrum Together oder die Lebenslust-Beratungsstelle unterstützt. Dennoch nennt er Mülheim „eine sehr akzeptierende Stadt“ und meint Politik wie Verwaltung. „Mülheim war die dritte Stadt, die ein schwul-lesbischen Jugendzentrum hatte. Insgesamt gibt es in NRW nur neun“, nennt Schrodt ein Beispiel und das „herausragend gut“. Nachholbedarf sieht er bei Angeboten für ältere Homosexuelle. Doch: „Ich habe den Eindruck, dass es eher an Ressourcen als am Wollen scheitert.“

"Beflaggung für andere Dinge benutzen"

Das Lob hören Mülheimer Politiker natürlich gerne. Die, sagt Tim Giesbert, hätten „frühzeitig erkannt, wie wichtig dieses Thema ist“. Der Fraktionssprecher der Grünen betont die Vorreiterrolle seiner Partei und der SPD, die es „sehr entschieden nach vorne stellt“. Inzwischen sei Normalität eingekehrt, obwohl „die Beflaggung des Rathauses mit der Regenbogenfahne am Anfang gar nicht so einfach war“.

CDU-Geschäftsführer Hansgeorg Schiemer sieht sie immer noch kritisch, spricht von Symbolpolitik: „Wir können nicht eine Flagge hissen, und alles ist in Ordnung.“ Er verweist auf den Personal- und Gleichstellungsausschuss, in dem solche Themen behandelt und versucht würde, „Diskriminierung zu verhindern“. Sein Fraktionskollege Frank Wagner wird deutlicher: Die Regenbogenflagge hat für ihn am Rathaus nichts zu suchen. „Ich denke, die Beflaggung sollte lieber für andere Dinge genutzt werden.“ Und dann ist er gedanklich bei der Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, die er persönlich ablehnt.

Für Christian Mangen, Kreisgeschäftsführer der FDP, ist eine Gleichstellung in allen Bereichen selbstverständlich. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Claus Schindler sieht das ebenso: „Bei Gleichbehandlung und Gleichstellung kann man nicht mit Fußnoten arbeiten.“ Auch er hält Mülheim für eine grundsätzlich tolerante Stadt. „In der lokalen Jugendarbeit ist die Akzeptanz von Schwulen, Lesben und Bisexuellen nichts, das nur auf dem Papier steht. Es wird gelebt.“