Mülheim. . Henning Scherf, mit fast 30 Jahren Wohngemeinschaftserfahrung, erklärt in Mülheim sein Leben als Senior.

„Wohngemeinschaften mit drei Generationen und Menschen mit verschiedenen Interessen sind das Lebensmodell der Zukunft. Wir leben heute länger, also sollten wir nicht allein in unseren Wohnungen verkümmern.“ Henning Scherf, einst Oberbürgermeister der Hansestadt Bremen, kennt sich bestens aus. „Bereits mit Mitte 40 haben meine Frau und ich uns entschieden, eine Wohngemeinschaft zu gründen, weil unsere Kinder aus dem Haus waren, nicht zurückkamen und wir nicht allein bleiben wollten.“

Mehr als 200 Besucher im voll besetzten Saal des Bürgergartens hören aufmerksam zu, was der heute 77-Jährige aus fast drei Jahrzehnten Wohngemeinschaft erzählt. „Natürlich müssen Sie sich Leute suchen, von denen Sie meinen, dass sie zusammenpassen. Wer nicht den Mut zu diesen Lebensgemeinschaften hat, sollte sie nicht beginnen“, sagt Henning Scherf.

Er spricht offen darüber, dass auch Behinderte und Pflegebedürftige in einer Gemeinschaft würdig leben können. „Wir alle haben uns abgewechselt, als eine Mitbewohnerin im Sterben lag – weil sie es so wollte. Ich habe nachts bei ihr geschlafen und trotzdem am nächsten Tag meine Amtstermine erledigt. Mit einem Arzt im Rücken, der unsere Gemeinschaftspflege unterstützt hat, ging das.“ Ambulante Pflege statt teurer Heime sei gefragt.

Reichere sollen Ärmere unterstützen

Henning Scherf berichtet auch von Mehrgenerationen-Wohnprojekten in Witten und Bochum, von seiner Zeit, als er mit an Demenz Erkrankten zusammenlebte. „Diese Leute sind leider vergesslich. Aber sie können fast jede Aufgabe erledigen, wenn man sie dabei fördert. Die bekochen und bewirten eine ganze Gesellschaft. Sie blühen richtig auf, wenn sie einen Garten bewirtschaften dürfen. Gegenseite Unterstützung tut allen nur gut.“

Was ist, wenn einer mit den anderen nicht mehr gut kann?“, wollte eine Besucherin wissen. „Das passiert“, gab Scherf ohne Umschweife zu. „Aber wenn alle miteinander darüber sprechen, können sie die Sache lösen. Sonst gibt es professionelle Helfer.“ Es sei bei allen Wohnformen wichtig, dass jemand seine offene Tür auch mal abschließen könne – sonst klappe das nicht.

Scherf empfiehlt, alle Aufgaben auf die Gemeinschaft zu verteilen, sie gemeinsam zu erledigen. „Wir haben es nie geschafft, gemeinsam zu frühstücken – außer sonntags. Aber mittags treffen sich alle am Tisch, abends oft auch – und danach gehen wir auch gemeinsam aus.“

Zur gegenseitigen Hilfe gehört für Scherf auch, dass Reichere die Ärmeren unterstützen. „Die Mischung der Personen und Interessen macht das Leben und Wirken abwechslungsreich. Wir haben heute nur noch ein Auto, früher sieben, weil wir gelernt haben zu teilen. Wir haben einen Garten statt Parkplätze.“