Mülheim-Speldorf. . Der letzte Gottesdienst in der Kirche am Brandenberg steht bevor. Die Evangelische Gemeinde Speldorf gibt das Gebäude aus finanziellen Gründen auf. „Der Verstand versteht es, aber das Herz schlägt anders, wir sind natürlich traurig“, sagt Pfarrerin Alexandra Cordes, die Vorsitzende des Presbyteriums.

Sonnenstrahlen erhellen den schlichten Altarraum. Die gläserne Rotunde in der Kirche am Brandenberg, die richtig viel Licht in den Innenraum dringen lässt, ist ein architektonisches Schmuckstück aus den 50er Jahren. 1956 wurde das kleine Gotteshaus, das in das Gemeindezentrum Süd integriert ist, innerhalb von nur einem Jahr erbaut. Damals, als der Bereich südlich der Saarner Straße Neubaugebiet war . . .

Wer der Architekt des Kirchenbaus war, hat Pfarrer Matthias Göttert nicht herausgefunden. Er weiß aber: „Die kleinen Motivfensterchen in der Fensterfront wurden von der Grafik-Abteilung der Diakonie Kaiserswerth entworfen. Sie zeigen das Kirchenjahr – vom Stern von Bethlehem über die Dornenkrone bis hin zur Waage, dem Symbol für das Jüngste Gericht.“

Pfarrer Matthias Göttert und Pfarrerin Alexandra Cordes im lichtdurchfluteten Altarraum der Kirche am Brandenberg.
Pfarrer Matthias Göttert und Pfarrerin Alexandra Cordes im lichtdurchfluteten Altarraum der Kirche am Brandenberg. © FUNKE Foto Services

Fast 60 Jahre ist die Kirche alt, nun muss die Evangelische Gemeinde Speldorf sie aus finanziellen Gründen aufgeben, obwohl sie 2003 erst noch behindertengerecht ausgebaut wurde. „Der Verstand versteht es, aber das Herz schlägt anders, wir sind natürlich traurig“, sagt Pfarrerin Alexandra Cordes, die Vorsitzende des Presbyteriums.

Auch weil der Kirchenraum mit seiner flexiblen Bestuhlung „der perfekte Raum für interaktive Gottesdienstformen“ war, so Göttert. 100 Besucher passen hinein, dank einer Schiebetür lässt sich die Kirche aber mit dem Gemeindesaal verbinden. „An Weihnachten haben wir immer 300 Leute hier gehabt.“

Heiner Bühl prägte Gemeindeleben

Besonders gerne erinnert sich Pfarrer Göttert auch an die Ostergottesdienste, wenn die Gemeinde an langen Tischen das Abendmahl einnahm, an außergewöhnliche Veranstaltungen wie den Gottesdienst mit Tieren oder an die Open-Air-Taufgottesdienste im hübschen Garten hinter der Kirche. Götterts Vorgänger Heiner Bühl prägte fast 30 Jahre lang das Gemeindeleben am Brandenberg, zu dem unter anderem auch Jungschararbeit, Kindergottesdienste sowie viele Gruppenangebote zählten. Einige Gruppen sind auch heute noch aktiv – zum Beispiel das „Friedensgebet“ und das „Werkstattatelier“. Die Küster Hans Schwarz und Maik Hesse hegten und pflegten die Kirche jahrelang. Seit 1966 verfügte diese auch über eine Peter-Orgel, an der über Jahre die Organisten Barbara Venus und Armin Wüst musizierten.

Taufbecken bleibt erhalten

Was aus dem Instrument wird, entscheidet sich, sobald ein Käufer für das gesamte Gemeindezentrum gefunden ist, die Verhandlungen laufen. Gerne möchte man einen Interessenten finden, der das gesamte Gebäude weiter nutzt. Altar und Kanzel, die erst 2007 in den Fliedner-Werkstätten gefertigt wurden, möchte man an eine andere Gemeinde verkaufen oder weitergeben, „die sie aktiv im Gottesdienst nutzt“. Kreuz und Kerzenständer will man für besondere Gottesdienste nutzen – etwa im Gemeindehaus an der Koloniestraße. Das Taufbecken bleibt den Gemeindemitgliedern vom Brandenberg vollständig erhalten, es soll in der Lutherkirche aufgestellt werden.

Auch der seit fast 50 Jahren bestehende Frauengesprächskreis ist betroffen 

„Wir haben uns hier heimisch gefühlt“, sagt Lieselotte Böhm stellvertretend für den Frauengesprächskreis, der sich seit fast 50 Jahren regelmäßig im Gemeindehaus der Kirche am Brandenberg getroffen hat. Wehmütig blickt sich die 82-Jährige in dem inzwischen fast leeren Gemeindehaus um und sagt: „Es hätte so toll weitergehen können hier.“ Doch durch die Aufgabe von Kirche und Gemeindehaus am Brandenberg muss auch der Frauengesprächskreis umziehen.

 Die Speldorferinnen Inge Herr, Ilse Busch und Lieselotte Böhm (v.l.) vom Frauengesprächskreis.
Die Speldorferinnen Inge Herr, Ilse Busch und Lieselotte Böhm (v.l.) vom Frauengesprächskreis. © FUNKE Foto Services

„Dabei sind wir alle im fortgeschrittenen Alter, da lässt man sich nicht mehr gerne verpflanzen“, sagt Lieselotte Böhm. Mit gewisser Sorge blickt sie auf den Umzug ins Gemeindehaus an der Lutherkirche an der Duisburger Straße: „Ich fürchte, dass unsere Gruppe schrumpfen wird, weil nicht alle den Weg auf sich nehmen werden.“ Dabei zählt der Kreis heute immer noch 33 Mitglieder, von denen im Schnitt 15 bis 20 zu den zweiwöchentlichen Treffen kommen. Begonnen haben die Damen damals in den 60er-Jahren als Mütterkreis. „Wir hatten alle kleine Kinder und suchten den Austausch“, erinnert sich Inge Herr zurück. Anfangs wurde gesungen und gebastelt.

Als Mütterkreis gestartet

Dann aber, als die Kinder heranwuchsen, reichte den Frauen das nicht mehr. Sie wollten sich mit Themen jenseits von Kinderliedern und Bastelanleitungen beschäftigen. So entstand der Frauengesprächskreis, der sich mit religiösen und sozialpolitischen Fragestellungen befasst und regelmäßig Referenten einlädt. Über die Jahrzehnte ist so eine enge Gemeinschaft entstanden, die innerhalb der Gemeinde hohes Ansehen genießt. „Männer trauen sich höchstens mal zu unseren Filmabenden dazu“, erzählt Lieselotte Böhm augenzwinkernd und sagt: „Wir sind ein Selbstläufer und haben auch heute noch Neuzugänge.“

Mit gemischten Gefühlen nun blicken die Damen dem Abschiedsgottesdienst in der Kirche am Brandenberg entgegen, der am Sonntag begangen wird. „Feiern kann man das wohl nicht nennen“, meint die 82-jährige Lieselotte Böhm, die die Kirche und das Gemeindehaus von Anbeginn kennt. „Im Jahr der Grundsteinlegung haben mein Mann und ich geheiratet, unsere Tochter hat hier geheiratet, die Enkel sind hier getauft worden.“ Und Ilse Busch, 78 Jahre alt, spricht allen aus dem Herzen: „Wenn wir wenigsten wüssten, was hier am Brandenberg passiert, dann könnten wir unbeschwerter gehen. Eine Ruine will niemand hinterlassen.“