Mülheim. Die Erzieher warten immer noch auf eine bessere Einstufung. Auch die angestellte Lehrer beklagen seit 15 Jahren eine unfaire Behandlung. Und die Siemensianer fürchten, dass die Marge mehr zählt als der Mensch.
Ein buntes Fest auf dem Kurt Schumacher Platz hatte sich der Mülheimer DGB-Chef Volker Becker-Nühlen gewünscht. Das bekam er, wobei diesmal allerdings auch jede Menge Unzufriedenheit zu hören war. Die Metaller, Verdi und die GEW nutzten die Kundgebung zur Botschaft: So kann es nicht weitergehen!
„Bis heute“, klagt Anna Conrads, bei Verdi zuständig für die Gemeinden, „hat die Arbeitgeberseite kein einziges Angebot gemacht zur Aufwertung der Arbeit im Erziehungs- und Sozialdienst.“ Die Enttäuschung ist groß bei den Erziehern, von denen einige zur Kundgebung gekommen sind und von ihrem Arbeitsalltag mit steigenden Anforderungen und Belastungen sprechen. 2300 Euro brutto – das ist für viele viel zu wenig. Immer öfter bleiben daher auch Stellen inzwischen unbesetzt. Dagmar Mühlenfeld, als Oberbürgermeisterin eine Vertreterin der Arbeitgeberseite, betonte, dass gute Arbeit auch einen guten Lohn verdiene: „Die Zeit ist da, dass es eine Einigung gibt.“ Damit würden beiden Seiten wahrscheinlich unzufrieden sein, aber es sei auch ein Ausgangspunkt für weitere Schritte, so die OB.
Eine andere Behandlung, sprich bessere Bezahlung, erwarten auch die angestellten Lehrer, die den Auftritt von NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann nutzen, um zum Teil lautstark und mit Transparenten auf die massive Ungleichbehandlung im Vergleich zu den beamteten Lehrern aufmerksam zu machen. Seit 15 Jahren kämpfen sie darum, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu bekommen – vergeblich. Mit bis zu 500 Euro netto weniger als der beamtete Kollege gehen sie monatlich nach Hause. Die Ministerin wies die Kritik an der Landesregierung in dem Punkt von sich. Die Gewerkschaften hätten bei den letzten Tarifverhandlungen halt andere Punkte für wichtiger angesehen.
Bis zu 1000 Stellen könnten bei Siemens wegfallen
Bei anderen sind die Sorgen viel größer: Bei Siemens und bei Vallourec etwa geht es in diesen Tagen um Arbeitsplatzabbau. Bis zu 1000 Stellen könnten allein bei Siemens in Mülheim wegfallen: „Mensch vor Marge“ fordern die IG Metaller auf Transparenten, und gleich daneben heißt es bei den Beschäftigten von Vallourec: „Ohne Rohre für Europa fehlt Arbeit in den Werken.“
Die wirtschaftliche Lage in Mülheim bezeichnet die OB als besorgniserregend. Man sei jedoch vor Ort machtlos gegenüber geopolitischen Spannungen und digitalisierten Märkten, sagt sie. Dass die Wirtschaft in Mülheim dennoch oft noch besser dastehe als die in anderen Städten, sei der Mischung zu verdanken: Ein Drittel macht die industrielle Produktion aus, ein Drittel der Handel, ein weiteres Drittel die Dienstleistung.
Der 1. Mai ist traditionell der Tag, an dem die Gewerkschaften Anerkennung von fast allen Seiten bekommen: „Gewerkschaft ist mehr, als Tarife zu verhandeln und Streiks zu organisieren“, sagt die stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann. Der Einsatz gelte vor allem besseren Lebensbedingungen, der Freiheit, dem Frieden und den Menschenrechten.