Mülheim. Helge Voß, der als Entwicklungshelfer in Nepal war, unterstützt seit Jahren zwei Schulprojekte im Kathmandu-Tal. Auch die Schulen haben unter dem Erdbeben gelitten.
Helge Voß war erst am Donnerstag mit dem Flieger aus Kathmandu zurückgekehrt. Am Samstagmittag hörte der 62-Jährige dann, dass in Nepal die Erde gebebt hatte. Nichts besonderes in dieser Region, dachte er zunächst. Das Ausmaß der Katastrophe ahnte er erst, als er am Abend die Nachrichten im Fernsehen sah. Voß, ein Bruder des Künstlers Alexander Voß, kennt sich mit Nepal, seiner Geschichte, Kultur und der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung gut aus, denn er hat Ende der 80er Jahre fünf Jahre dort als Entwicklungshelfer gearbeitet, regelmäßig Trekking-Touren dorthin unternommen und dort auch seine Frau kennengelernt. Gemeinsam mit seiner Frau Kantu Shama-Voß hält er regelmäßig Vorträge und unterstützt zwei Schulen im Kathmandu-Tal.
Nahrungsmittel werden knapp
Voß weiß, die Gefahr im Kathmandu-Tal ist noch nicht gebannt. Ständig gibt es Nachbeben: an die 50 mit einer Stärke von 4,5 und mehr auf der Richtskala, mögen es inzwischen gewesen sein. Und alle erwarten noch ein starkes Beben. „Was heute noch steht, kann morgen schon zerstört sein“, sagt er. Ein Beben hat auch er schon miterlebt. 1987 war das, da habe der Boden kräftig gewackelt und der mehrere hundert Liter fassende Wassertank sei einige Zentimeter nach vorne gehüpft. Auch einige Häuser hätten Schaden genommen. 5,3 laut Richterskala.
Die Angst ist groß. Und dann steuert der Ballungsraum, in dem über 1,5 Millionen leben, auf eine Versorgungskrise zu. Nahrungsmittel werden knapp, weil die Stadt von den umliegenden Dörfern, wo das Gemüse angebaut wird, abgeschnitten ist. Auch in den Dörfern seien die Verwüstungen durch das Beben groß. Schon habe die Regierung dazu aufgerufen, sich das Essen einzuteilen. In der Regel kaufen die Nepali täglich ein und haben zu Hause nur wenig Vorräte. Auch Seuchengefahr besteht, weil Tote bei der Hitze erst spät geborgen werden. Da sei es schon hilfreich, dass 80 Prozent der Nepali Hinduisten sind, wo es üblich ist, die Toten noch am Todestag zu verbrennen.
Tourismus ist Haupteinnahmequelle
Schon vor dem Beben war die Frischwasserversorgung der Hauptstadt nicht optimal. Da der Tourismus die Haupteinnahmequelle des Landes ist, wird das Land, das ohnehin zu den ärmsten der Welt zählt, wieder deutlich in der Entwicklung zurückgeworfen. Für viele Touristen waren die Tempel und Paläste, die zum Weltkulturerbe zählten, Anziehungspunkte, jetzt sind viele von ihnen wie Kartenhäuser zusammengekracht. Die Bauweiser in der von Erdbeben bedrohten Region sind einfach, gute Baumaterialien teuer. Für einen Sack Zement müsse ein Nepali im Durchschnitt einen Tag arbeiten.
Die größte Sorge galt natürlich der Schwiegermutter und den beiden Schwestern, die noch in Kathmandu wohnen. Sie leben, aber das Haus der 85-jährigen Schwiegermutter hat massive, vermutlich irreparable Schäden erlitten. Sie ist zu einer der beiden Töchter gezogen. Dort hat der Vermieter ein Zelt aufgebaut. Das Paar überlegt, ob sie die Schwiegermutter herholen sollen. Beim letzten Mal war das ein Riesentheater, ein bürokratischer Kraftakt, weil die deutschen Behörden fürchten, die alte Dame könnte hier bleiben wollen. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“, sagt Voß. Bei der Ausländerbehörde gab es gleich grünes Licht, aber drei Mal habe er zur Botschaft fahren und wiederholt Anträge stellen müssen.
Sorge gilt den beiden Schulen
Seine zweite Sorge gilt den beiden Schulen, die er unterstützt. Die 1989 gegründete Buddha Academy Boarding School, die über 600 Kindern (vor allem Straßenkindern und Waisen) eine Lebensperspektive bietet und die von einem ehemaligen Schüler initiierte Children of the Universe, die knapp 40 tibetischen Kindern Bildung ermöglicht. Diese Schule hat Voß erst vor ein paar Tagen besucht. Mit der finanziellen Unterstützung der evangelischen Kirche in Heißen, in der Voß als Presbyter tätig ist, konnten Gebäude hergerichtet und eine Nähmaschine angeschafft werden.
Das Beben hat nun deutliche Schäden angerichtet, Wände einstürzen lassen und das Dach beschädigt. Wie stark die Schäden in der größeren Schule, die auch mehrere Werkstätten umfasst, sind, weiß Voß noch nicht genau, da er noch keinen Telefonkontakt hatte. Die Leitungen sind einfach überlastet. Voß wirbt jetzt um Spenden für die beiden Schulen. „Das Geld wird gebraucht und kommt auch direkt an“, versichert er. Die Kollekte am Sonntag ist schon mal dafür bestimmt.
Interessierte können über E-Mail mit Voß Kontakt aufnehmen: helge-voss@t-online.de