Mülheim. Die Mitarbeiter von Kaiser's-Tengelmann bangen um ihre Zukunft bei der Handelskette. Bei den Angestellten in Mülheim liegen die Nerven blank.
„Wir können nur abwarten und hoffen, dass wir möglichst lange unsere Jobs behalten. Aber diese Unsicherheit, wie lange das noch dauert, bis wir nicht mehr gebraucht werden, das reißt an den Nerven.“ Die Frau an der Fleischtheke bei Tengelmann in Saarn sagt, was tausende Mitarbeiter des Handelsunternehmens bewegt. „Vielleicht gibt es demnächst auch alle unsere Geschäfte nicht mehr, weil die Handelsriesen nur nach mehr Fläche und Großsortimenten streben“, fürchtet die Frau und schneidet den Serrano-Schinken.
Tengelmann gehört zu den kleineren Handelsketten im Land, darf seine 451 Filialen aber nicht an Edeka – einen der Großen – abgeben. Die Kartellwächter haben das letzte Woche untersagt. „Nicht alles, was das Kartellamt verbietet, ist gut für uns als Kunden und die Belegschaft“, antwortet der Senior, der den Schinken bestellt hatte. Schon mischen sich weitere Kunden in die Diskussion ein, empören sich vor allem darüber, dass demnächst fast gar kein Lebenmittelsgeschäft mehr im Saarner Dorfkern existieren wird, wenn Tengelmann dort seine Kassen schließt.
„Nicht jeder hat ein Auto und kann seinen gefüllten Einkaufswagen in den Kofferraum kippen“, sagt eine Frau mit Rollator resigniert. „Wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, kann doch nicht den großen Läden hinterher ziehen. Ich möchte Lebensmittel und Gemüse im Dorf kaufen und dort nicht nur teure Modefummel sehen.“
Tengelmann-Zentrale äußert sich derzeit nicht
Tengelmann hatte versucht, auf ökologischer Basis seine Produkte anzubieten, aber in den letzten Jahren damit Verluste gemacht. „Umweltfreundlichkeit kostet etwas mehr. Aber die Leute fahren lieber mit dem Auto überall vor und verpesten das Klima“, meint ein hagerer Mann und hängt die Taschen an sein Fahrrad. „Vor allem die alten Leute bleiben auf der Strecke. Mal sehen, wann im Dorf der erste Seniorensupermarkt aufmacht.“
Am Gemüseregal ist die Stimmung freundlich, aber wie ihre Kollegin beim Fleisch möchte die Mitarbeiterin ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. „Wir arbeiten gern hier in Saarn, mehr Kunden täten uns auch gut. Das Kartellamt sollte zuerst an die Arbeitsplätze denken, die es damit vernichtet. Ob Edeka uns allerdings behalten würde, war ebenfalls nie garantiert“, erklärt die Frau. „Hoffentlich zieht sich das noch lange hin. So lange haben wir hier noch Arbeit.“
Tengelmann wollte seine Filialen im Sommer abgeben. Was nun wird, dazu sagt in diesen Tagen niemand etwas in der Zentrale an der Wissollstraße. Mitarbeitern und Kunden hilft das nicht. Sie können nur warten – und hoffen.