Mülheim. Erst ehrenamtlicher Schauspieler, dann hauptamtlicher Leiter: Michael Bohn erlebt beim Backstein-Theater am Evangelischen Krankenhaus in Mülheim sein Happy End.
Michael Bohn ist sehr entspannt. Kein Wunder. Der hauptamtliche Leiter des Backsteintheaters schaut auf eine erfolgreiche Premiere zurück. Der Auftakt zum Jubiläumsjahr ist gelungen. Seit 25 Jahren leistet sich das Evangelische Krankenhaus einen eignen Kulturbetrieb. „Das ist ein kariertes Maiglöckchen, das es so nicht noch einmal gibt“, sagt der Mann, der vor 25 Jahren als ehrenamtlicher Schauspieler zum Backsteintheater kam, das er seit 2008 hauptamtlich leitet.
Bohn ist Regisseur und Manager der Großen Bühne. Ob Inszenierung, Bühnenbild, Technik, Programmheft oder Pressearbeit. Bohn ist beim Backsteintheater als Mann für alle Fälle gefordert. „Bei uns stehen nicht nur 30 Leute auf der Bühne, sondern auch 30 Leute hinter der Bühne, die im Bereich Maske, Technik und Produktionsassistenz mitarbeiten.“ Sie arbeiten ehrenamtlich und er organisiert den gesamten Theaterbetrieb, zu dem seit 2012 auch eine Junge Bühne mit theaterbegeisterten Schülern gehört, als hauptamtlicher Koordinator.
„Ich sitze nicht auf dem Klappstuhl!“
„Ich bin kein Regisseur, der bei den Proben auf einem Klappstuhl sitzt und den Schauspielern sagt, was sie zu machen haben. Ich gehe auch mit auf die Bühne und wir probieren gemeinsam verschiedene Dinge aus“, beschreibt er seinen Arbeitsstil. Das überrascht nicht. Denn er stand als Schauspieler fast 20 Jahre selbst auf der Bühne des Backsteintheaters. „Meine Lieblingsrolle war die als Diener zweier Herren, weil die so lebhaft ist und viel Lebensfreude ausstrahlt“, erinnert sich Bohn an die Produktion aus dem Jahr 1993.
Weil er selbst lange auf der Bühne stand und weiß, was es bedeutet, Text zu lernen und sich die Seele aus dem Leib zu spielen, weiß er auch, was es braucht, eine gleichermaßen ehrenamtliche und professionelle Schauspielertruppe zusammenzuhalten. „Wertschätzung“ ist für ihn das Schlüsselwort. „Das sind alles wilde Hengste und Fohlen, die sehr viel Zeit, Energie und Kreativität in ihre Arbeit einbringen“, weiß Bohn. Warum tun sie das? Warum investieren Ärzte, Juristen, Studenten, Pfarrer, Orthopädiemechanikerinnen oder Personaltrainer für jede Spielminute auf der Bühne 100 Proben-Minuten?“ Das hat in Bohns Augen nicht nur mit dem Gefühl von Wertschätzung und der Tatsache zu tun, „dass nichts mehr verbindet als der Erfolg“, sondern auch mit der Erfahrung, „dass man sich in einem solchen Ensemble sehr nah ist und sich gegenseitig trägt und damit selbst getragen wird.“
Kein Platz für Einzelkämpfer
Das sei, so glaubt der Theatermann aus dem Evangelischen Krankenhaus, heute eine seltene und deshalb besonders wertvolle Erfahrung in „einer Wohlstandsgesellschaft, in der sich viele Menschen eher abschotten und als Einzelkämpfer unterwegs sind, weil sie Angst vor Nähe und dem Verlust ihres Wohlstandes haben.“
Dass sich „erbauliches Theater“ am und im Krankenhaus auszahlt, sieht Bohn daran, dass das mit Stiftungsmitteln finanzierte Backstein-Theater dem Evangelischen Krankenhaus nicht nur einen enormen Image-Gewinn und sogar eine Auszeichnung durch die Kultur- und Bildungsorganisation der Vereinten Nationen (Unesco) eingebracht hat.
Er sieht es auch daran, dass sehr viele Zuschauer, die das eintrittsfreie Theater im Evangelischen Krankenhaus genießen, den Fortbestand der Bühne mit zum Teil großzügigen Spenden absichern und so gleichzeitig Menschen einen Theaterbesuch ermöglichen, die sich kein reguläres Theaterticket leisten könnten, zumal, wenn sie mit ihrer ganzen Familie einen Theaterabend erleben möchten.
„Das Backstein Theater hat soziales und kulturelles Leben ins Krankenhaus gebracht. Es ist inzwischen nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in der Bürgerschaft fest verankert“, sagt Bohn im Blick auf 25 Jahre Backsteintheater. Dafür sprechen auch die Kooperationen, die inzwischen eine regelmäßige Zusammenarbeit mit dem städtischen Kulturbetrieb und den Mülheimer Schulen haben entstehen lassen. „Auf der Bühne“, davon ist Bohn überzeugt, „lernen Jugendliche fürs Leben, weil sie dort lernen, sich selbstbewusst, authentisch und klar auszudrücken und zu bewegen.“