Mülheim. . Premiere des Mülheimer Backstein Theaters vor vollem Saal. Gleichgewicht zwischen Ernsthaftigkeit und Komödie.
Ausverkauft ist das große Casino zur Premiere von „Ewig jung“, der 26. Inszenierung und der 364. Aufführung des Backstein Theaters. Leiter Michael Bohn stellt zum 25. Jubiläum der Kultur im Evangelischen Krankenhaus ein ganz anderes Stück vor. Erstmalig wagt sich das siebenköpfige Ensemble an eine Musiktheater-Komödie – auch wenn das nach den ersten Szenen kaum vorstellbar scheint.
Tanzen, was die Beine hergeben
Die strenge Schwester Ursula geleitet sechs Greise auf die Bühne, ehemalige Schauspieler, die die Blüte ihres Lebens hinter sich gelassen haben, kaum mehr laufen, sprechen, geschweige denn singen und tanzen können. Ein wenig Bewegungstherapie verordnet die Pflegerin, die Alten sind genervt, auch Pianist Külpmann begleitet nur unwillig, denn wehren kann er sich mangels verständlicher Sprache nicht mehr gegen die Unerbittliche. Kaum hat die Schwester die Bühne verlassen, erscheint ein breites Lächeln auf den Gesichtern, sofort kommt Leben in die Runde. Frau Kellerberg schmettert „I love Rock’n Roll“, missbraucht ihren Fuchskragen als Mikrofon.
Die Zuschauer erfahren: Man schreibt das Jahr 2040, die sechs sind Überlebende des Backstein Theaters, alle kämpfen mit ihren Gebrechen, wollen und können aber nicht von ihrer Bühnenvergangenheit lassen. Vor allem Frau Zipp lebt in einer anderen Welt.
Weitere Aufführungen über das ganze Jahr
Weitere Aufführungen gibt es am 21. März; am 2., 3., und 9. Mai; am 6., 7., und 13. Juni; am 12., 13., und 19. September; am 15., 21., und 22. November und am 23., 24., und 30. Januar 2016.
Kostenlose Eintrittskarten gibt es beim Kartentelefon 309 2067, an der Information in der Eingangshalle des Ev. Krankenhauses und im Restaurant „Schatulle“.
Mehr Info unter: www.evkmh.de/kultur/grosse-buehne
Liebevoll kümmert sich Herr Bäcker um seine „kleine Möwe“. Die Senioren singen und tanzen sich durch die Hits der Weltgeschichte, performen Stayin Alive, I will Survive, Streets of London oder Forever Young. Manchmal resignieren sie über ihre Gebrechen, befeuert durch Schwester Ursula, die keine Gelegenheit auslässt, auf das stets zu erwartende Ende hinzuweisen. Meist stemmen sie sich mit Elan und grandiosen Liedern gegen das Alter, holen den Joint raus, wenn die Schwester weg ist, tanzen, singen, was die Beine hergeben.
Gleichgewicht zwischen Ernsthaftigkeit und Komödie
Dann lässt Frau Kellerberg das Fluchen, Frau Zipp findet zur alten Bühnenpräsenz zurück und Herr Ehling vergisst seine Demenz. Der Rebell und Altrocker Herr Iwanow zeigt seine sanften Seiten und Herr Bäcker unterhält die Runde mit Zauberkunststücken.
Die Schauspieler finden das feine Gleichgewicht zwischen Ernsthaftigkeit und Komödie. Nie gleiten sie ab ins Banale, sind vollkommen überzeugend in der Darstellung des Alters, ohne je geschmacklos zu wirken. Um Erik Gedeons Komödie „Ewig jung“ auf die Bühne zu bringen, haben Regisseur Michael Bohn und sein Ensemble auf und hinter der Bühne keine Mühen gescheut. Um die Schauspieler, die ihre Namen behalten haben und sich quasi selbst in der Zukunft spielen, so gelungen alt wirken zu lassen, haben die Maskenbildnerinnen besondere Kurse besucht.
Die Gesangeinlagen – musikalische Leitung hatte Marie Elisabeth Zipp, alias Frau Zipp – überzeugten auf ganzer Ebene. Begeisterung und Gänsehautfeeling waren garantiert, nur zu gerne hätte man den John Lennon-Song „Imagine“, mit dem Herrn Iwanow sein musikalisches Coming Out gehabt hätte, bis zu Ende gehört.