Mülheim. Die Verweildauer der Patienten wird immer kürzer, aber Langeweile droht doch. In den beiden Mülheimer Krankenhäusern stehen verschiedene Aktiv- und Gesprächsangebote zur Verfügung.
In Essen sorgte kürzlich eine Neuerung im dortigen Uni-Klinikum für Aufsehen: Das Haus führte eine Entertainment-Flatrate ein, zu der auch einige Pay-TV-Sender per Sky gehören, darunter die Fußball-Bundesliga. Patienten zahlen für diesen verpflichtenden Service 3,90 Euro pro Tag.
In den beiden Mülheimer Krankenhäusern steht dieses Modell nicht zur Debatte. Beispiel Marien-Hospital: Hier scheint man mit dem Standard-TV-Programm allseits zufrieden zu sein. Wer surfen oder chatten will, kommt per UMTS-Stick kostenlos ins Netz, erklärt Thomas Kalhöfer, Sprecher des Betreibers Contilia. Elektronische Spielangebote in Form von Wii oder Playstation hätten sie nicht – „wir haben ja hier keine Kinderstation“.
Grundsätzlich werde das Problem von Langeweile im Krankenhaus eher geringer, meint Kalhöfer, denn die Verweildauer geht zurück, Patienten bleiben im Schnitt nur noch sechs, sieben Tage: „Dass Leute lange liegen, kommt viel seltener vor.“ Manchmal doch, beispielsweise im Fall von Bärbel Langnert (63), die seit nahezu vier Wochen wegen einer Lebererkrankung im Marien-Hospital stationär behandelt wird.
„Sehr angenehm“ findet sie die Besuche der Grünen Damen, die Zeit zum Reden mitbringen, „jeden zweiten Tag kommt jemand vorbei“. Häufig ist es Susanne Neupert, hauptberuflich in der Kommunikationsabteilung beschäftigt, aber schon länger als Ehrenamtliche im Einsatz. Ihr Eindruck ist, dass Patienten seltener Besuch bekommen: „Es gibt mehr Singles, und die Kinder ziehen oft weg oder sind beruflich stark eingespannt.“ Umso gefragter seien Gesprächsangebote an der Bettkante. Und noch etwas hat Neupert beobachtet: verändertes Leseverhalten. „Richtig dicke Schmöker sind selten geworden. Die Leute lesen lieber Illustrierte.“
Allen, die das Zimmer verlassen könne, stehen auch Aktiv- und Kulturangebote zur Verfügung, die regelmäßig in der Patientenbibliothek stattfinden, etwa der monatliche Märchenkreis oder das Literaturcafé. Außerdem laufen Kurse wie Kreatives Tanzen oder autogenes Training, bei denen interessierte Patienten einsteigen können. „Wir wollen Inseln schaffen“, so Thomas Kalhöfer, „wo die Menschen vergessen, dass sie im Krankenhaus sind.“
Eines ändert sich aber wahrscheinlich nie: „In der Raucherecke“, weiß Patientin Bärbel Langnert, „lernt man am schnellsten Leute kennen und hat am meisten frische Luft.“ Eine Empfehlung ist das natürlich nicht.
Im EKM zahlen Patienten für Multimedia-Terminals extra
Auch beim größeren Nachbarn, dem Evangelischen Krankenhaus, steht die Patientenversorgung mit Pay-TV nicht auf der Agenda. Hier läuft in den Standardzimmern das „klassische Fernsehprogramm“, wie es heißt, für das niemand extra zahlen muss. Wer mit dem privaten Notebook, Tablet oder Smartphone ins Netz gehen möchte, kann gegen eine Gebühr von 2,50 Euro pro Tag W-Lan nutzen.
Technisch reichere Ausstattung bekommt man über die Wahlleistungen auf bestimmten Stationen und in den 22 „Service Plus“-Zimmern, für die das EKM einen eigenen Bereich reserviert hat. Hier finden die Patienten Multimedia-Terminals vor, über die sie telefonieren, fernsehen und surfen können. „Die Entwicklung geht in diese Richtung“, erklärt Stefan Mattes, Marketingleiter des Betreibers Ategris.
„Wir arbeiten gerade an einem Konzept, um unser Angebot gebündelt in bewegten Bildern über diese Terminals zu übertragen, vom Speiseplan bis zur Theatervorstellung.“ Etwa die Vorführungen des Mülheimer Backstein Theaters, das regelmäßig im Großen Casino gastiert. Diesen Terminen können Patienten kostenlos beiwohnen, ebenso den kulturellen und kreativen Angeboten der Musischen Werkstätten. Bei manchen ist Mitsingen oder -tanzen erwünscht.
Auf weitere Möglichkeiten, lange Kliniktage mit Aktivität und Sinn zu füllen, weist Stefan Mattes hin, beispielsweise die Gottesdienste oder medizinischen Info-Veranstaltungen im Haus. Und so etwas Klassisches wie eine Patientenbibliothek hat das EKM auch. Falls jemand aus Gesundheitsgründen nicht selber hingehen kann: „Die Grünen Damen und Herren bringen gewünschte Bücher auch ans Bett.“