Mülheim/Berlin. Die Bundestagsabgeordneten sehen die Not der Städte. Astrid Timmermann-Fechter (CDU) verweist aber auf die Hilfe, die der Bund bereits leistet.

Wie können die Lebensbedingungen in den deutschen Städten wieder ins Gleichgewicht gebracht werden? In der Bundeshauptstadt debattieren darüber zu Beginn der Woche die Stadtspitzen aus 50 Kommunen und Gemeinden mit hochrangigen Bundespolitikern – und sie fordern Hilfe.

Aus Mülheim ist OB Dagmar Mühlenfeld als Sprecherin des städteübergreifenden Bündnisses „Raus aus den Schulden“ vor Ort. Über die bisher einmalige Aktion in der Geschichte der Bundesrepublik sprach die WAZ mit den Mülheimer Bundestagsabgeordneten, Astrid Timmermann-Fechter (CDU) und Arno Klare (SPD).

Wenn Sie Oberbürgermeister/-in von Mülheim wären, würden Sie dann auch in Berlin auf den Putz hauen

Timmermann-Fechter: Natürlich würde ich mich für die Stadt einsetzen, dafür, dass es ihr besser geht. Das erwarte ich von einer Stadtspitze. Ich kann die Aktion gut nachvollziehen.

Klare: Ja, ich würde auch auf den Putz hauen. Das muss man deutlich tun. Es heißt zwar, dass die Kommunen, wenn man ihre Haushalte addiert, einen großen Überschuss haben. Aber es gibt gravierende Unterschiede, was ihre finanzielle Situation angeht. Da braucht gerade das Ruhrgebiet, das jahrzehntelang für andere Regionen blühende Landschaften erwirtschaftet hat, Solidarität. Die muss sich auch beim Länderfinanzausgleich zeigen.

Tut der Bund zu wenig für die Kommunen?

Timmermann-Fechter: Der Bund hat die Probleme erkannt, und er tut einiges. Allein für die Grundsicherung erhält die Stadt Mülheim für die Jahre 2011 bis 2015 rund 25 Millionen Euro. In diesem Jahr erhalten die Kommunen 24 Milliarden vom Bund, elf davon für Soziales, für frühkindliche Bildung, zwölf Milliarden für Verkehr und Infrastruktur. Es gibt darüber hinaus vorab eine Milliarde an Eingliederungshilfen, eine Milliarde für die Unterbringung von Asylbewerbern. Aber man muss die Aufgaben der Kommunen auch als Gesamtwerk sehen. Für mich gehört daher eine Landeshilfe dazu.

Klare: Bis dato tut der Bund nicht genug. Wir brauchen gezielte Programme, die das Ruhrgebiet betreffen, um die Wirtschaft in Gang zu halten. Darauf muss man in Gesprächen in Berlin immer wieder hingewiesen, auch wenn das Land NRW und das Ruhrgebiet starke Regionen sind. Wir haben in NRW 17 von 50 Dax-Unternehmen, eine der dichtesten Hochschullandschaften. Wir haben ein Bruttoinlandsprodukt, das stärker ist als das der Niederlande. Aber wir erleben im Ruhrgebiet im Moment die Notwendigkeit, dass die Region mehr Geld braucht, um sich besser entwickeln zu können. Hier ist der Wandel eben noch nicht abgeschlossen. Konzepte und Ideen sind da.

Was können Sie als Abgeordnete(r) tun?

Timmermann-Fechter: Ich werde mir einmal genau anschauen, was von den Bundesgeldern in Mülheim ankommt. Die Überweisungen der Mittel erfolgen ja über das Land.

Klare: Als Ruhrgebiets-MdB kann ich die Forderungen in Berlin immer wieder nur unterstützen, dass die Region mehr Mittel braucht, um Infrastruktur- und Innovationsprogramme umzusetzen. Man kann nicht mit der Gießkanne über alle gehen. Ungleiches muss auch ungleich behandelt werden.

Städte in der Region haben Bedarf am Soli 

Die Hoffnung in der Region ruht darauf, dass der Soli künftig auch vor Ort ankommt. Wie sehen sie die Chancen

Klare (SPD): Der Soli stammt aus allgemeinen Steuermitteln und ist nie zweckgebunden. Er wird ab 2019/2020 etwa 18 Milliarden Euro betragen. Unsere Vorstellung ist, dass der Soli zu 50 Prozent an die Länder geht. Nach einem Schlüssel würde NRW 21 Prozent davon erhalten und könnte dann frei über das Geld verfügen.

Timmermann-Fechter (CDU): Die Verteilung muss in Zukunft nach Bedürftigkeit erfolgen. Und da müsste diese Region auf jeden Fall mit berücksichtigt werden. Wir haben Bedarf.

Eine Klage der Städte lautet stets: Bund und Länder machen Gesetze, die Städte haben die Kosten zu tragen. Eine berechtigte Kritik?

Klare: Es muss in die Köpfe aller: Wenn Forderungen und Gesetze aufgestellt werden, die in den Kommunen haushalterische Relevanz haben, dann müssen auch die Mittel folgen, um diese Aufgaben zu bewältigen.

Der Bundesfinanzminister schreibt eine schwarze Null. Dürfen da die Städte nicht mehr erwarten?

Timmermann-Fechter: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir sicher große Steuereinnahmen haben, von denen aber auch die Kommunen profitieren und nicht nur der Finanzminister.