Mülheim. Im Jahr 1895 erhielt Otto von Bismarck die Auszeichnung der Stadt. Eine Mülheimer Delegation überbrachte die Urkunde damals persönlich.

Otto von Bismarck gilt als einer der bedeutendsten Staatsmänner des 19. Jahrhunderts. Dass der „Eiserne Kanzler“ (*1815, †1898) auch seit geraumer Zeit Ehrenbürger der Stadt Mülheim ist, dürfte aber weit weniger bekannt sein. Noch zu seinen Lebzeiten, genauer gesagt am 19. Februar 1895, im Jahr seines 80. Geburtstags, erhielt Bismarck die Ehrenbürgerrechte der Stadt an der Ruhr. „An diesem Tag unterzeichneten die Mülheimer Stadtverordneten die entsprechende Urkunde“, weiß Kai Rawe, Leiter des Mülheimer Stadtarchivs, zu berichten.

In Auszügen heißt es im Ehrenbürgerbrief: „In unbegrenzter Verehrung des größten Staatsmannes unseres Jahrhunderts, der [...] als erster das deutsche Reich einigen half, [...] ernennt die Stadt Mülheim an der Ruhr Se(ine) Durchlaucht den Fürsten Otto von Bismarck zu ihrem Ehrenbürger [...].“

Besonders die oberen, einflussreichsten Kreise der Mülheimer Gesellschaft machten sich damals für die Auszeichnung des „Eisernen Kanzlers“ stark, erläutert Rawe. „Viele der national-konservativ gesinnten Stadtoberen verehrten Otto von Bismarck als treibende Kraft bei der Gründung des Deutsches Reiches im Jahr 1871.“ Zudem sei Mülheim Ende des 19. Jahrhunderts eine prosperierende Stadt im Reich gewesen, wofür konservative Kreise in der Gemeinde dem Kanzler wohl ebenfalls ihren Dank aussprechen wollten. „Man wollte sich aber wahrscheinlich auch im Lichte des Geehrten sonnen und Bismarck zu ,einem von uns’ machen.“ sagt Rawe.

Bismarckfeiern zum Geburtstag

Nicht nur bei manchen Stadtoberen, auch in anderen Teilen der Mülheimer Bevölkerung sei Bismarck damals beliebt gewesen, sagt Rawe. „Zum 80. Geburtstag, am 1. April 1895, fanden in Mülheim gleich zwei große Bismarckfeiern statt.“ Auch Turn- und Veteranenvereine oder patriotische Gesellschaften hätten an diesem Tag gefeiert. „Ausnahmen waren wahrscheinlich Sozialdemokraten und Katholiken, die unter Bismarcks Kulturkampf zu leiden hatten“, sagt Rawe. Mülheim sei damals aber nicht der einzige Ort gewesen, der dem ehemaligen Reichskanzler huldigte. Im Jahr des runden Geburtstags verliehen insgesamt 378 Städte ihre Ehrenbürgerschaft an Otto von Bismarck.

Viele Delegationen kamen im Mai 1895 auf einer großen Feier auf Bismarcks Landsitz Friedrichsruh bei Hamburg zusammen. „Aus Mülheim machten sich allein 30 Honoratioren mit einem Sonderzug auf den Weg“, berichtet Rawe. Auf der Feier sei der prachtvolle Ehrenbürgerbrief dann überreicht worden. „Bei den zahlreichen Delegationen mussten sich die Mülheimer Honoratioren aber wohl mit einem Händeschütteln begnügen“, vermutet Rawe. Auch weil Bismarck keine besondere Verbindung zu Mülheim gehabt habe.

Dennoch ist sein Name im Stadtbild präsent, beispielsweise sichtbar an der Bismarckstraße sowie am Bismarckturm.

Bismarckturm ist seit über 100 Jahren ein Mülheimer Wahrzeichen 

Seit über 100 Jahren ist der Bismarckturm auf dem Kahlenberg eines der Wahrzeichen der Stadt. 1909 errichtet, bietet der Bau einen imposanten Ausblick auf das Ruhrtal. „Der Bau geht ursprünglich auf eine Initiative der deutschen Studentenschaft zurück“, erklärt Stadtarchivleiter Kai Rawe. „Nach Bismarcks Tod 1898 entwickelte sich mit der Zeit ein mystifizierender Kult um den Gründer des Deutschen Reiches.“ Nach einem Aufruf der Studentenschaft zum Bau von Bismarck-Türmen sei ein „Denkmalteppich“ in ganz Deutschland entstanden, sagt Rawe.

In Mülheim ist der Bau des Bismarckturmes dem Einsatz des angesehenen Bürgers Dr. Hermann Leonhard und seiner Frau Margarete Leonhard, geb. Stinnes, zu verdanken. Mit Geldern aus ihrer Stiftung wurde 1908 mit dem Bau begonnen. „Die Einweihung am 1. April 1909 hat Bauherr Hermann Leonhard nicht mehr erlebt, da er bereits 1905 verstarb“, so Rawe.

Atelier im Untergeschoss des Turms

Der Turm diente jahrelang als Veranstaltungsort und Aussichtsturm. In den Siebzigerjahren sollte er Hochhäusern weichen, was allerdings am Protest der Mülheimer Bürger scheiterte.

Seit einigen Jahren befindet sich im Untergeschoss des Bismarckturms das Atelier des Bildhauers Jochen Leyendecker. Das Bauwerk ist zu bestimmten Zeiten auch wieder für Besucher geöffnet.