Mülheim. . Die Sozialwissenschaftlerin Gabriele Strauß-Blumberg berichtet im Interview über den Wandel der Bildungsstätte. Vor 30 Jahren waren Kurse für Frauen noch stark gefragt, heute sind viele dafür überlastet.

Die VHS sollte weiterhin ein breites Bildungsangebot für alle Bevölkerungsgruppen anbieten, betont Gabriele Strauß-Blumberg, die seit 30 Jahren als Dozentin dort tätig ist. „Die VHS ist auch für Menschen da, die Kontakte suchen, die Hobbys ausüben oder sich fachlich verbessern möchten“, sagt sie im Gespräch mit WAZ-Mitarbeiterin Cäcilia Tiemann.

Wie hat für Sie die Bildungsarbeit bei der VHS angefangen?
Gabriele Strauß-Blumberg: Ich bin Diplom-Sozialwissenschaftlerin und habe an der VHS mit den Kursen begonnen, weil ich mit drei kleinen Kindern auf diese Weise stundenweise arbeiten konnte. Am Anfang habe ich alle 14 Tage einen Kurs gegeben, zu Hochzeiten sechs Kurse pro Woche und nun, mit 65 Jahren, betreue ich nur noch die Seniorenzeitung „Alt? na und!“.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kurs?
Strauß-Blumberg:
In den 1980er Jahren hat mich eine Ministeriumsbroschüre mit dem Titel ,Frauen können mehr’ zu meinem ersten gleichnamigen Kurs inspiriert. Das war ja noch zu Zeiten, als die VHS einen großen Frauenfachbereich besaß. Zur Unterstützung des weiblichen Selbstbewusstseins und ihrer Entwicklung gab ich früher etwa Kurse für Frauen: „Streiten lernen“ oder „Ich kann, wenn ich will“. In einem Kurs ging es darum, (Haus-)Frauen mittleren Alters Tipps zu geben für ihre weitere Entwicklung. Der Kurs war immer gut besucht. In der ersten Zeit war er sogar kostenlos, später wurden sehr niedrige Gebühren erhoben. Wir wollten den Frauen nicht zumuten, von ihrem Mann den Kursbeitrag zu erbitten. Die meisten Frauen hatten ja kein eigenes, sondern nur knappes Haushaltsgeld.

Könnten Sie sich heute Kurse zu diesen Themen noch vorstellen?
Strauß-Blumberg:
Überhaupt nicht. Die Informationsmöglichkeiten für Frauen sind heute vielfältiger. Frauen scheinen eher überlastet mit ihren zahlreichen Aufgaben wie Arbeit, Kinder, Hobbys und Haushalt. Da geht es eher darum, Aktivitäten zu reduzieren als sich noch mehr aufzuladen.

Sind denn reine Frauen-Kurse heute noch gefragt?
Strauß-Blumberg: Das VHS-Programm passte sich den Erfordernissen der Zeit an. Es wurde irgendwann nicht mehr nach Frauen und Männern getrennt. Kurse für Singles, Angebote zum Umgang mit Computern und Internet, erste Spielgruppen für Kinder wurden geschaffen. Eine Kindergärtnerin hat sich um die Kleinen gekümmert, ich habe die Begleitung der Mütter übernommen.

Ihr schönster Kurs?
Strauß-Blumberg: Ein ganz toller Kurs war für mich „Besuche in den Ateliers Mülheimer Künstler“. Das habe ich 112 Mal gemacht! Wir haben über alle Besuche Buch geführt, das Buch danach veröffentlicht. Seit 17 Jahren leite ich nun die Redaktion der Seniorenzeitung.

Bedient die VHS noch alle Altersgruppen?
Strauß-Blumberg: Gabriele Strauß-Blumberg: Ja. Zahlreiche Angebote für Senioren sind hinzugekommen – und die ,Junge VHS’ für Kinder und Jugendliche, die hat es früher nicht gegeben. Auch etliche Lifestyle-, Gesundheits- oder Wellness-Themen sind hinzu gekommen. Und die Preise sind gestiegen. Die Arbeit ist insgesamt professioneller geworden. Es gibt mehr Qualitätskontrollen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Strauß-Blumberg: Es ist uns wichtig, dass das Haus hier an der Müga weiter bestehen bleibt. Ich fand den Ablauf der Ereignisse um eine Sparkassen-Akademie an dem Standort unglücklich. Politiker reden immer von Teilhabe und darüber, die Menschen ‘abzuholen’, und dann werden VHS-Mitarbeiter und Kunden im Unklaren darüber gelassen, welche Pläne es gibt und wie es weitergeht.