Moers. In Moers haben das Bündnis „Moers ist bunt, nicht braun“ und die Awo zur Demo für ein vereintes Europa aufgerufen. Was genau die Botschaft war.

Musik der Band Kraftklub schallt am Samstagvormittag über den Bahnhofsvorplatz in Moers. Eine kleine Gruppe hat sich bereits gebildet, einige sind mit Europaflaggen ausgestattet. Unter dem Motto „Gegen einen Dexit und für ein vereintes Europa“ hatte das Bündnis „Moers ist bunt, nicht braun“ mit Unterstützung des Awo Kreisverbandes Wesel zu einer pro-europäischen Demonstration mit anschließender Kundgebung vor dem Rathaus anlässlich der anstehenden Europawahl am Sonntag, 9. Juni, aufgerufen. Gegen kurz nach 11 Uhr zieht der Demonstrationszug, begleitet von der Moerser Polizei, über die Homberger Straße in Richtung Innenstadt.

Bärbel und Othmar Klaaßen haben den Ausdruck „Flagge zeigen“ wörtlich genommen: Von Kopf bis Fuß ist die Moerserin in eine Girlande bestehend aus kleinen Europaflaggen gewickelt. Über ihrer Schulter trägt sie einen blauen Jutebeutel mit den zwölf kreisförmig angeordneten Sternen. Ihr Mann hat eine große Flagge zu einer Art Umhang umfunktioniert. „Wir halten es für extrem wichtig, hier dabei zu sein“, äußert Bärbel Klaaßen nachdrücklich. Europa habe für sie, nicht nur aufgrund ihrer Arbeit im Bereich der Organisation von „Erasmus“-Schulaustauschprojekten, einen hohen Stellenwert: „Europa bedeutet für mich eine große Gemeinschaft, in der man Kompromisse finden muss, aber gemeinsam und friedlich.“ Bei der Demonstration gegen rechts im Januar war das Ehepaar ebenfalls dabei.

Kleiner Demonstrationszug auf dem Weg zum Moerser Rathaus

Vom Rand der Homberger Straße wird das Geschehen interessiert verfolgt. „Die Demokratie ruft!“, teilt ein Demonstrant einem Polizisten beim Überqueren der Kreuzung vor dem Rathaus mit, was dieser lächelnd mit einem Nicken quittiert. Gegen 12.30 Uhr beginnt die Kundgebung. „Als anerkannter Wohlfahrtsverband ist es unser Ziel, Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen“, leitet Jochen Gottke, Vorstandsvorsitzender der Awo Kreis Wesel, ein. „Recht ist die Voraussetzung für Gerechtigkeit“, führt er weiter aus. Um ein starkes EU-Parlament zu erhalten, welches sich für Gerechtigkeit einsetzt, sei es wichtig, an der Europawahl teilzunehmen, so Gottke.

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Jennifer Klotz vom Paritätischen Wohlfahrtsverband wie auch Birgit Leyendecker vom Bunten Tisch Moers heben in ihren Redebeiträgen die vielen Errungenschaften und Vorteile durch die EU hervor, von denen wir im Alltag profitieren: „Für mich bedeutet Europa Reisefreiheit“, findet Klotz. Leyendecker spielt zudem das von der AfD oftmals in Erwägung gezogene Szenario eines Dexits, also des Austritts Deutschland aus der EU, mitsamt seinen Folgen durch: Sie stützt sich auf Äußerungen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, denen zufolge über zwei Millionen Arbeitsplätze und Wohlstand im Umfang von 400 bis 500 Milliarden Euro verloren gingen. Doch nicht genug: „Europäische Werte sind wichtig“, betont Leyendecker. Ihr Appell in Anlehnung an die Band Die Ärzte ist deutlich: „Mach dein Kreuz gegen Hakenkreuze!“

Hanns Dieter Hüsch „spricht“ bei der Moerser Kundgebung für Europa

Zwischen den Redebeiträgen lässt Hajo Schneider von „Moers ist bunt, nicht braun“ einen Moerser Ehrenbürger zu Wort kommen. Das Lied vom runden Tisch von Hanns Dieter Hüsch beweist über 40 Jahre nach seinem Erscheinen immer noch große Aktualität. „Wir setzen uns heute auch alle an einen runden Tisch, nur eben bestimmte Leute nicht“, überträgt Mark Rosendahl den Text auf das Jetzt. Dass die Teilnehmerzahl im Vergleich zur Demonstration im Januar von etwa 8.000 auf 150 Personen gesunken ist, ordnet der Moerser SPD-Politiker wie folgt ein: „Es ist immer schwieriger, die Menschen für eine Idee, die die meisten toll finden, auf die Straße zu locken.“ Dabei sei die Demonstration ja nicht nur gegen die AfD, sondern auch für Freiheit, für Toleranz und für Demokratie, führt er aus.

Wir können arbeiten, reisen, studieren, wo wir wollen.
Jutta Potzies

„Bei der letzten Demo war der Schock über die Potsdam-Enthüllungen noch so akut“, versucht Jutta Potzies das geschrumpfte Teilnehmerfeld zu erklären. Die Rheinbergerin legt großen Wert darauf, weiterhin Präsenz zu zeigen. Die aktuellen Angriffe auf Wahlhelfer sowie der Wunsch einiger, das europäische Projekt abzuschaffen, beunruhige sie. „Wie viele Freiheiten haben wir dadurch? Wir können arbeiten, reisen, studieren, wo wir wollen“, zählt die Europa-Begeisterte auf.

Moerser Beteiligung an Protesten gegen den AfD-Parteitag in Essen geplant

Initiator Hajo Schneider hätte sich über eine breitere Beteiligung gefreut, findet jedoch: „Die Botschaft ist angekommen.“ Perspektivisch plant er bereits die Teilnahme an den Protestaktionen anlässlich des Parteitags der AfD vom 28. bis 30. Juni in Essen. „Wir werden in Moers mindestens zwei Zugtreffpunkte organisieren, um gemeinsam nach Essen zu fahren“, so Schneider. Genauere Informationen werden über die Facebook-Seite des Bündnisses bekanntgegeben.