Kamp-Lintfort. Kommt das Flüchtlingsheim nahe der Tierherberge? Seit Dienstag herrscht Klarheit. Wie es nun weitergeht - und was eine Task-Force bewirken soll.
Die Entscheidung ist gefallen: Gegen die Stimmen der FDP stimmte der Rat der Stadt Kamp-Lintfort am Dienstag für den Bau einer neuen Flüchtlingsunterkunft Am Drehmannshof neben der Tierherberge, die CDU enthielt sich. Die Christdemokraten hatten zuvor beantragt, die Entscheidung in die nächste Ratssitzung Anfang Mai zu vertagen, dafür aber keine Mehrheit gefunden.
Zu einer vorab angemeldeten Demonstration gegen eine Flüchtlingsunterkunft neben der Tierherberge hatten sich am Dienstagmittag im Vorfeld knapp 30 Frauen und Männer vor der Stadthalle eingefunden. Sie verfolgten im Anschluss die Debatte um den Standort in der Ratssitzung. Bürgermeister Christoph Landscheidt sprach von einer schwierigen Entscheidung und versicherte den Unterstützern der Tierherberge, dass die Verwaltung den Standort Am Drehmannshof im Vorfeld „sorgfältig geprüft“ habe.
Unter Druck, schnellstmöglich über Standort zu entscheiden
Es gebe generell wohl „keine konfliktfreien Standorte“, sagte der Bürgermeister. Aber in der langen Geschichte der Unterbringung von Geflüchteten in Kamp-Lintfort seit dem Balkan-Krieg habe es bislang an keinem Standort „gravierende Konflikte“ gegeben, warb der Bürgermeister um Vertrauen. „Wir erwarten in diesem Sommer erheblich mehr Flüchtlinge“, so Landscheidt. Auch deshalb stehe man unter Druck, über den Standort schnellstmöglich zu entscheiden. Er erwarte nicht, „dass die Betroffenen heute Beifall klatschen“, hoffe aber auf eine einvernehmliche Lösung.
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Dass die anschließende Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern sachlich blieb, dafür sorgte Bertold Brahm. Die Tierherberge hatte den Kamp-Lintforter, der früher als Geschäftsführer einer Stadtwerkekooperation tätig war, zu ihrem Sprecher bestimmt, um die Emotionalität aus der Debatte zu nehmen. „Ich nehme Ihnen zu 100 Prozent ab, dass Sie sich diese Entscheidung nicht leicht machen“, sagte er an die Adresse des Bürgermeisters. Dass die Leitung der Tierherberge erst am 5. März aus der Presse von dem Vorhaben erfahren habe, habe dort allerdings für Enttäuschung gesorgt.
„Task Force“ soll sich künftig gemeinsam um Maßnahmen kümmern
Keiner könne heute sagen, ob das Szenario der Tierschützer - Lärmbelästigung und wachsendes Aggressionspotenzial der Hunde - oder das der Stadt nach dem Motto ,alles wird gut‘ eintreten werde. Jetzt sei es aber an der Zeit, ein „Stück weit Widerstand aufzugeben“ und über künftige Lösungen nachzudenken. Er regte an, eine Art „Task Force“ aufzubauen, in der Stadt und das Team der Tierherberge eng zusammenarbeiten, um sich gemeinsam auch im Nachhinein über mögliche nötige Maßnahmen abzustimmen.
„Wir wollen mit Ihnen in die Verantwortung gehen, dass hier ein nachbarschaftliches Verhältnis entsteht“, so Brahm an die Adresse von Politik und Verwaltung. Eine solche „verbindliche“ Zusammenarbeit solle im Protokoll der Sitzung niedergeschrieben werden.
„Eine Standortwahl ist immer ein Abwägungsprozess, die optimale Fläche wird es nie geben“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Thiele. Für seine Fraktion sei entscheidend, dass der Platz Am Drehmannshof „ein konfliktarmer Standort mit geringer Wohnbebauung“, guter Sozialbetreuung und passender Infrastruktur (Kita, Schule, Einkaufsmöglichkeiten) sei. Kritik äußerte Thiele an der CDU, die im Nachgang der Sitzung des Hauptausschusses einen Fragenkatalog an die Verwaltung geschickt hatte. Sowohl die dort nachgefragten möglichen Standorte als auch die Auswahlkriterien seien der CDU da bereits bekannt gewesen, sagte Thiele. Andere, konstruktive Lösungsvorschläge seitens der CDU gebe es bis heute nicht.
Petition und Flashmob: „Hätten besser informieren müssen“
Eine Kritik, die der CDU-Fraktionschef Simon Lisken so nicht stehen lassen wollte. Für eine so wichtige Entscheidung müsse sich die Politik auch die nötige Zeit nehmen, dies sei nicht möglich gewesen. Dass die Tierherberge den Sachverhalt aus der Presse erfahren habe, sei „ein Unding“: „Wir hätten ausführlicher informieren müssen“, sagte Lisken auch mit Blick auf die Petition zum Standort, die am Dienstag bereits über 2.000 Gegner des Standortes unterzeichnet hätten. Noch am Sonntag hatten sich Frauen und Männer zu einem Flashmob auf der Wiese neben der Tierherberge getroffen - laut eines Facebook-Posts der Tierherberge, um damit auf die Problematik der Geräuschkulisse in unmittelbarer Nähe der Tiere aufmerksam zu machen.
Sie hätten sich anders als die CDU von der Verwaltung vorab gut informiert gefühlt, sagte indes Grünen-Fraktionschef Johannes Tuschen. Er sei allerdings zum Teil schockiert über die Reaktionen in den sozialen Medien: „Was da abgegangen ist, war unter aller Kanone.“ Sein Dank gelte jetzt dem temporären Sprecher der Tierherberge, Bertold Brahm: „Sie haben uns die Hand gereicht.“