Moers/Kamp-Lintfort/Neukirchen-Vluyn. Ein Moerser Bürger fordert die Umbenennung einer Straße in Utfort. Was er über den Namensgeber herausfand und wie die Stadt jetzt reagieren will.

Hansfried Münchberg ist verärgert. Der Grund für seinen Ärger ist die Albert-Altwicker-Straße. Und das in gleich zweierlei Hinsicht: Zunächst störte sich der Moerser an den langwierigen Bauarbeiten auf der Straße im Ortsteil Utfort. Die seit etwa Mitte 2022 andauernde „Belästigung durch Dreck und Baustellenfahrzeuge“ habe ihn dazu ermutigt, Zeitungsarchive nach dem Namensgeber der Straße zu durchforschen. Mit überraschendem Ergebnis: Albert Altwicker, der 20 Jahre lang als Bürgermeister der Gemeinde Repelen-Baerl (später Rheinkamp) tätig war, sei laut der Recherche Münchbergs „offenbar eifriger Verfechter der Sache des Nationalsozialismus“.

Zu diesem Schluss kommt der Moerser etwa nach der Lektüre eines Berichtes in der Zeitung „Der Grafschafter“ vom 12. April 1933, in der von der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates berichtet wird. Während seiner Rede soll Altwicker laut damaliger Berichterstattung das Hakenkreuzbanner als „das Symbol der jungen deutschen Freiheitsbewegung“ bezeichnet haben. An mehreren Stellen dankte er demnach der SS und SA sowie Adolf Hitler selbst, dessen Bild fortan prägnant im Gemeinderathaus präsentiert werden sollte. Für die „ewig Unzufriedenen und die notorischen Quertreiber“ sei kein Raum mehr, wird der damalige Bürgermeister zitiert. „Nach dem Willen des Führers braucht niemand der guten Willens ist, abseits zu stehen“, heißt es weiter.

Umstrittener Straßenname: Stadt Moers will Entscheidung der Politik überlassen

Diese Textauszüge stellen nur einen kleinen Teil der zahlreichen Belege dar, die Hansfried Münchberg nun der Moerser Stadtverwaltung, mehreren Ratsfraktionen sowie dem Ausschuss für Bürgeranträge zugeschickt hat. Seine klare Forderung: „Mit Abschluss der Bauarbeiten wäre eine Umbenennung der Straße sinnvoll.“ Er führt auf, dass Altwicker zahlreiche Heime der Hitlerjugend in seiner Gemeinde bauen lassen habe, und sieht zudem einen Zusammenhang zwischen der mutmaßlichen Gesinnung des früheren Bürgermeisters und einer „auffälligen Häufung von Adolf-Hitler-Straßen und Horst-Wessel-Straßen in Repelen und Utfort“. Dass Albert Altwicker bei einem Bombenangriff auf das Rathaus 1944 verstarb, rechtfertige nicht, dass heute „eine, wenn auch kleine Straße nach ihm benannt ist“, meint Münchberg.

Die Benennung der Albert-Altwicker-Straße steht in Moers zur Diskussion.
Die Benennung der Albert-Altwicker-Straße steht in Moers zur Diskussion. © FUNKE Foto Services | Joshua Esters

Auch die Stadt Moers beschäftigt der Bürgerantrag. „Die Verwaltung hat sich damit bisher noch nicht beschäftigt und wird den Sachverhalt jetzt gründlich recherchieren“, sagt Pressesprecher Thorsten Schröder auf Nachfrage dieser Redaktion. 120 Menschen sind nach Angaben der Stadt in der Albert-Altwicker-Straße gemeldet und wären von einer möglichen Umbenennung betroffen. Die letzte Änderung von Straßennamen in Moers datiert auf das Jahr 2013. Bei der Benennung der Willy-Brandt-Allee, Yitzhack-Rabin-Straße, Olof-Palme-Straße und der Ludwig-Erhard-Straße war der Anlass jedoch ein anderer: Ursächlich war hier die vom Rat beschlossene Würdigung von verdienten Persönlichkeiten und nicht wie im aktuell diskutierten Fall die Entfernung des Namens einer umstrittenen historischen Figur.

Straßennamen mit NS-Bezug: Hinweistafeln in Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn

Als Alternative zur Umbenennung will die Stadt Moers die Kommunalpolitik auch über Hinweistafeln entscheiden lassen. Von dieser Praxis machte jüngst die Nachbarstadt Kamp-Lintfort Gebrauch. Dort hat die Stadt im März 2022 Tafeln mit einordnenden Zusatzinformationen unter Straßenschildern montiert. „Deutscher Dichter (1831-1910), wegen antisemitischer Tendenzen in seinen Werken umstritten“, heißt es etwa auf der Wilhelm-Raabe-Straße. Auf eine umstrittene Haltung zum Nationalsozialismus weisen zudem Infotafeln am Ina-Seidel-Weg, dem Agnes-Miegel-Weg sowie der Heinrich-Lersch-Straße hin.

Ähnlich ist die Stadt Neukirchen-Vluyn im vergangenen Jahr vorgegangen: Bei der Ina-Seidel-Straße sowie bei Weddigenplatz, -allee und -straße beschloss der Stadtentwicklungsausschuss, erklärende Ergänzungsschilder zu installieren. Den Namen Paul von Hindenburgs, der Hitler zur Machtübernahme verhalf, wollten die Kommunalpolitiker jedoch unbedingt ganz aus dem Stadtbild verschwinden lassen: So trägt der Hindenburgplatz mittlerweile den Namen „Am Markt“.

Hindenburgplatz in Neukirchen-Vluyn umbenannt: Stadt übernahm viele Kosten der Anwohner

Auch interessant

Wie aus der damaligen Beschlussvorlage hervorgeht, hat die Neukirchen-Vluyner Verwaltung mehrere Kosten für die Anwohner übernommen. Dazu zählen die Änderung des Personalausweises und des Reisepasses durch das Bürgerbüro, sowie die Mitteilung an städtische Dienststellen, Kataster-, Finanz- und Grundbuchamt sowie an das Amtsgericht, die Polizei, die Feuerwehr und den Rettungsdienst. Dazu kommen Kosten für die Änderung von Straßenschildern und Stadtplänen.

Entsprechende Ausgaben würden auch auf die Stadt Moers zukommen, falls sich der Rat für eine Umbenennung der Albert-Altwicker-Straße entscheiden sollte. Initiator Hansfried Münchberg hat auch schon einen Vorschlag: „Ich würde mir wünschen, dass die Straße nach Hanns Kralik, dem in Moers aufgewachsenen Künstler und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, benannt werden könnte.“