Neukirchen-Vluyn. Der gebürtige Neukirchener Jochen Müntinga ist der neue Leiter für den Bereich Bildung beim Erziehungsverein. Das sind seine Pläne mit dem Team.

Das hätte sich der ehrwürdige Pastor Andreas Bräm einst, um 1845, bei der Gründung seines privaten Vereins zur Erziehung von verwaisten und verwahrlosten Kindern aus dem Ruhrgebiet nicht träumen lassen. Dass eben dieser Neukirchener Erziehungsverein heute einer der größten Jugendhilfeträger im Lande ist. Da braucht es neben Pädagogik und sozialem Engagement auch viel professionelles Management.

Einer der Profis, die die Fäden in der Verwaltung an der Andreas-Bräm-Straße in Neukirchen-Vluyn in der Hand halten, ist Jochen M. Müntinga (51). Seit einem halben Jahr ist er dort aktiv und leitet den Geschäftsbereich Bildung mit 500 Mitarbeitern und 1300 betreuten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Damit steht der Macher mit der unaufgeregten Art an dritter Stelle in der Geschäftsleitung.

Neukirchener Erziehungsverein: Ex-Dezernent übernimmt Bereich Bildung

Jochen Müntinga ist gebürtiger Neukirchener. Sein Vater war engagierter Presbyter in der Kirchengemeinde. Allerdings wurde der Sohn erst einmal Industriemechaniker im Bergbau. Über den zweiten Bildungsweg studierte er Sozialpädagogik und Betriebswirtschaft. 25 Jahre lang arbeitete Müntinga dann in verschiedenen Jugendämtern bei Städten in NRW, baute die Ämter teils mit auf und leitete sie. Zuletzt war er in Nettetal Dezernent für Familie, Bildung und Soziales.

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Dort wäre er vielleicht immer noch – hätte wohl nicht der Erziehungsverein eine neue Kraft als Motor für den neuen Geschäftsbereich Bildung gesucht. „Ich war Dezernent im Angestelltenverhältnis, daher kam ich aus meiner Stelle recht reibungslos frei.“ Und: „Mit rund 50 Jahren empfand ich es als den richtigen Zeitpunkt, bei einem freien Träger etwas anderes zu machen.“

Neukirchener Erziehungsverein: Neuer Chef kündigt weitere Kitas an

Freie Träger und auch den Neukirchener Erziehungsverein habe er durch seine lange Jugendamtstätigkeit naturgemäß gut gekannt; der Kontakt sei dagewesen. Mit dem diakonischen Auftrag des Erziehungsvereins habe er sich identifizieren können, sagt Müntinga.

„Früher hieß das alles Jugendhilfe“, schildert Müntinga. „Alles sehr breitgefächert und sehr unübersichtlich.“ Hintergrund: Die Institution sorgt traditionell neben der Wohnunterbringung der Kinder und Jugendlichen aus benachteiligten Familien eben auch für Bildung, Beschulung, Lebens- und Alltagsbildung. Und nicht nur die stationär untergebrachten jungen Leute brauchen Bildung. „Da sind beispielsweise auch 550 Kinder in unseren acht Kitas in Neukirchen, Wesel und Duisburg.“ Aus dem Manager spricht der Sozialpädagoge: „Was wir da am Anfang richtig machen, müssen wir später nicht reparieren.“ Sicher kämen in den nächsten Jahren weitere Kitas hinzu.

Ausbildung beim Neukirchener Erziehungsverein: Erfolgreicher als der Landesschnitt

Müntinga zählt weiter auf: „Es gibt bei uns auch die 650 Förderschüler in unserem Schulverbund sowie die heilpädagogische Tagesgruppe für behinderte Menschen am Grotfeldsweg.“ Damit nicht genug. An zehn bis 20 Regelschulen im Kreisgebiet helfen Mitarbeiter des Erziehungsvereins rund 40 jungen Leuten mit besonderem Unterstützungsbedarf bei der Integration. Ebenso kümmert sich der Erziehungsverein um die offene Ganztagsbetreuung an Schulen im Umkreis. Nicht zu vergessen das Berufskolleg für Erzieherinnen und Erzieher. „Dort gibt es zur Unterstützung der Studierenden seit kurzem einen Praxis-Coach. Er begleitet die jungen Leute, hat für alle Probleme ein offenes Ohr.“ So brechen nur zehn Prozent die Ausbildung ab. „Landesweit sind es 30 Prozent“, weiß der Fachmann. Bildung und Coaching brauchten jedoch auch die Mitarbeiter in den Seniorenheimen des Erziehungsvereins an drei Standorten.

Bildung, das sei auch Lebensbildung und Lebensschule, sagt Müntinga. Das könne neben der Schule auch praktische Arbeit mit Holz oder Metall sein, die Organisation von Festen, kleine Hilfen zu einem selbstständigen Leben oder musische Erziehung. „Kinder wissen sehr gut, wer ihnen etwas mitgegeben hat“, hat der Sozialpädagoge festgestellt. Dabei sei nicht zu vergessen: „Wir beschäftigen uns ja viel mit Kindern, die viel Schlimmes erlebt haben.“ Und auch der Umgang der jungen Mädchen mit den Pferden an Haus Elim könne einen Teil zur Heilung beitragen.

Neukirchener Erziehungsverein: Mitarbeiter aus vielen Ländern

Zugegeben, der Erziehungsverein sei riesengroß geworden. Und sein eigener Arbeitstag habe nicht immer nur 8 Stunden. „Aber ich achte auf Ausgleich mit der Familie und mit Sport.“ Beim Neukirchener Erziehungsverein wandele sich gerade sehr viel. „Viele Kräfte kommen jetzt von außen dazu. Ich habe muslimische, arabische und andere Mitarbeiter, die es früher hier kaum gab. Der Erziehungsverein hat sich auf den Weg gemacht in eine Zukunft, die über den Tellerrand hinaus blickt“, schildert Müntinga.

Zwar leiste er selbst ja keine klassische sozialpädagogische Arbeit mehr in seinem Job. „Aber die Zusammenarbeit mit den Menschen hier ist ja auch irgendwie sozialpädagogisch“, meint Jochen M. Müntinga, und er lächelt.