Moers. Mit dem Rollator über Kopfsteinpflaster: Die Pläne für die Zukunft der Moerser Fußgängerzone verunsichern Senioren. Wie die Stadt reagiert.
Die Pläne der Stadt für die neue Pflasterung der Altstadt sorgen weiter für Unmut in der Moerser Bevölkerung. Zuletzt hatten die zur Wahl gestellten Beispielpflaster für Unverständnis gesorgt, da diese optisch nur marginale Unterschiede aufweisen. Nun mehren sich die Stimmen, die sich unzufrieden gegenüber der Barrierefreiheit der möglichen Fußgängerzone der Zukunft äußern. NRZ-Leserin Almut Klinger hat an einer Infoveranstaltung mit Mitarbeitenden des Planungsbüros teilgenommen – und sei vom Umgang mit dem Thema Barrierefreiheit „maßlos enttäuscht“ worden.
Die Moerserin könne verstehen, dass das bisher in der Mitte der Fußgängerzone verlegte Kopfsteinpflaster wiederverwendet werden soll. „Die Entscheidung, diese Pflasterung aber ausgerechnet für die Fläche direkt vor den Schaufenstern zu wählen, grenzt alle Menschen mit Gehbehinderungen, Rollstuhlfahrer*innen, Nutzer*innen von Rollatoren oder Eltern mit Kinderwagen vom Schaufensterbummel aus“, schreibt sie in einem ausführlichen Brief an die Redaktion.
Rollatorfahrer testet neuen Boden für Altstadt in Moers: „Sehr uneben“
Ein Mitarbeiter des Planungsbüros im Alter von etwa Mitte dreißig, den Klinger als sportlich und gesund des Planungsbüros beschreibt, habe das Pflaster mit einem Rollator getestet und keine Probleme festgestellt. Dies hielt Almut Klinger, die politisch für die Linke Liste in Moers aktiv ist, nicht für möglich: „Auf meinen Vorschlag hin wurde ein zufällig vorbeikommender älterer Herr mit Rollator gebeten, die bereits verlegte „Teststrecke“ auszuprobieren. Er beklagte, das Pflaster sei sehr uneben und die Vibrationen sehr groß.“
Klinger kritisiert, dass die Stadt allen Menschen gehöre, nicht nur den jungen und gesunden. Eine Bemerkung, dass Personen, die „fit genug“ seien, um in die Stadt zu kommen, auch mit dem Kopfsteinpflaster zurechtkämen, empfand die Moerserin als zynisch. Auf ihre Nachfrage hin sei ihr bestätigt worden, dass der Beirat für ältere Menschen nicht in die Planung miteinbezogen wurde.
Senioren aus Moers verärgert über Altstadt-Pläne: „Kaufen nicht mehr in der Stadt ein“
Ebendieser Beirat, in Person des Vorsitzenden Karl-Heinz Theußen, erachtet die Pläne der Stadt jedoch als nicht so negativ wie es die Kritik Klingers vermuten lässt: „Ich bezweifle, dass das Flanieren an den Schaufenstern beeinträchtigt wird.“ In der Neugestaltung der Fußgängerzone sieht er sogar eine Verbesserung der Fußgängerfreundlichkeit im Vergleich zur aktuellen Situation. Er argumentiert, dass der große Mittelstreifen des Altstadtbodens, auf dem derzeit „holpriges“ Kopfsteinpflaster verlegt ist, künftig mit einer ebenen Hauptlauffläche ausgestattet sein wird. Die dann gepflasterten Randstreifen sieht Theußen als „gewisse, aber nicht unüberwindbare Barriere.“
Anders bewerten Erika (84) und Dieter Raths (83) die Situation. Das in der Stadtmitte lebende Ehepaar sieht einen Gang mit dem Rollator über das Kopfsteinpflaster als „sehr gefährlich“ an – und ist überzeugt, dass die Bedürfnisse der älteren Generation nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. „Wenn der Plan so beschlossen wird, kaufen wir nicht mehr in der Stadt ein“, sagt Erika Raths deutlich.
Stadt Moers: Kopfsteinpflaster in der Fußgängerzone wird „barrierearm verfugt“
Der Stadt Moers ist die Verunsicherung einiger Senioren bekannt. Pressesprecher Thorsten Schröder betont, dass die derzeitigen Pläne einen Kompromiss zwischen Ästhetik und Barrierefreiheit darstellen. „Ohne eine Wiederverwendung des Kleinstadtpflasters können wir den Charakter und Charme der Altstadt nicht erhalten“, sagt Schröder auf NRZ-Nachfrage. Im selben Zuge versucht er, die Sorgen der älteren Bürgerinnen und Bürger zu mildern. „Die bislang teilweise sehr tiefen Rillen des Pflasters werden möglichst barrierearm verfugt“, erklärt der Stadt-Pressesprecher. Zudem würden keine Autos und Lieferfahrzeuge über die Randstreifen fahren, wodurch der neue Altstadtboden langfristig unbeschadet bleiben soll.
Bei der derzeit laufenden Bürgerbeteiligung haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, in gewissem Grad das Verhältnis zwischen gemütlicher Kopfsteinpflaster-Optik und Barrierefreiheit mitzubestimmen: Zur Wahl stehen eine dreiteilige Aufteilung (barrierefreier Mittelstreifen plus je ein Randstreifen mit Kopfsteinpflaster) sowie eine fünfteilige Aufteilung mit jeweils einer zusätzlichen Ausstattungszone pro Seite, die mit großen und ebenen Granitplatten versehen werden soll. Bei letzterer Variante ist der Randstreifen mit 1,50 bis 2,50 Metern deutlich schmaler als bei einer Dreiteilung der Fußgängerzone (zwei bis vier Meter) – und damit der zu überwindende Weg über das Kopfsteinpflaster bis ins Ladenlokal entsprechend kürzer.
Bürgerbeteiligung in Moers: Noch bis Ende August über Innenstadt-Zukunft abstimmen
Bis die Altstadt wirklich neu gestaltet wird, vergeht jedoch noch viel Zeit. Laut Stadtsprecher Thorsten Schröder sollen die unterirdischen Bauarbeiten an Kanälen und Leitungen nach aktuellem Stand Anfang 2025 beginnen. Erst im Anschluss daran würde ein neues Pflaster in der Fußgängerzone auf der Steinstraße und Neustraße verlegt werden.
Bei der Bürgerbeteiligung können interessierte Moerserinnen und Moerser noch bis Donnerstag, 31. August, über ihre bevorzugte Variante für die künftige Gestaltung der Moerser Fußgängerzone abstimmen. Die Stadt weist zudem darauf hin, dass jeweils montags, 21. und 28. August, von 17 bis 19 Uhr, Experten aus der Verwaltung und von den Planungsbüros für Erläuterungen und Fragen zur Verfügung stehen. Diese Termine finden im Bereich der Neustraße 29 – 31 statt. Eine Teilnahme an der Bürgerbeteiligung ist im Internet unter diesem Link möglich.