Am Niederrhein. Maras* Eltern haben ihr Nabelschnurblut einlagern lassen. 20 Jahre später der Schock: Die Firma ist insolvent. Was passierte mit den Stammzellen?

Es sollte wie eine zweite Gesundheitsversicherung für ihr Kind sein, daran erinnern sich die Eltern von Mara* (*Name geändert) sehr genau. „Mein Gynäkologe machte mich damals auf die Möglichkeit aufmerksam, Nabelschnurblut unserer Tochter einzulagern, um später, falls es wegen einer Erkrankung einmal nötig sein sollte, eigene Stammzellen für eine Therapie zur Verfügung zu haben“, erzählt die Mutter.

Knapp 20 Jahre später folgt in diesem Frühjahr der Schock: Die private Firma, bei der die Stammzellen damals eingelagert wurden, ist lange insolvent. „Niemand hatte uns benachrichtigt, wir hatten keine Ahnung, wo die Stammzellen sich befinden und ob sie überhaupt noch da sind“, kann Maras Mutter auch heute die Ungeheuerlichkeit noch kaum fassen.

Rückblickend schien damals alles gut geregelt: Zwei Monate vor der Geburt ihrer Tochter unterschrieben Maras Eltern einen Vertrag mit der Firma Cryo-Care GmbH, in dem zunächst eine vorläufige Aufbewahrungszeit von 20 Jahren vereinbart wurde. Gesamtkosten inklusive Blutuntersuchungen, Testkit und Arzthonoraren: 1360 Euro. „Wir wollten, dass Mara mit 20 Jahren selbst entscheidet, ob sie die Stammzellen weiter einlagern will.“ Nach einem Gespräch mit ihren Eltern beschließt Mara, die Lagerung fortzusetzen. Aber ihr Versuch, mit der Firma Cryo-Save – in dieser Firma war Cryo Care 2009 aufgegangen – Kontakt aufzunehmen, um den Vertrag zu verlängern, scheitert: Cryo-Save hatte bereits 2019 Insolvenz angemeldet.

Mara begibt sich im Netz auf die Suche und stößt bald auf erstaunlich viele Menschen, denen Ähnliches widerfahren ist. Sie schließt sich einer Facebook-Gruppe an, in der sich Betroffene austauschen. Eine Spur führt die 19-Jährige schließlich zur Unternehmensgruppe FamiCord nach Polen. Dort lagern offenbar eingefrorene Stammzellen früherer Kunden von Cryo-Save. Mara versucht, am 20. März mit FamiCord über deren Online-Portal Kontakt aufzunehmen, zunächst ohne Erfolg.

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Nach einem erneuten Versuch über eine Hotline der Firma kommt schließlich eine Mail mit der Bestätigung, dass Maras Stammzellen tatsächlich bei FamiCord lagern. Etwa eine Woche später folgt eine weitere Mail. In der heißt es unter anderem, man versichere zwar, dass während des Transports nach Polen alle Standards und Anforderungen eingehalten wurden, könne aber nicht „für die Qualität der Proben, ihre Aufbereitung und Lagerung bis zur Abholung des Materials in den Labors Ihres ehemaligen Kryokonservierungsanbieters“ haftbar gemacht werden.

Weiterhin biete man ihr einen neuen Vertrag über eine Verlängerung der Stammzellenaufbewahrung an. Möglich seien verschiedene Zahlungsmodelle, zum Beispiel 109 Euro jährlich. Eine Vernichtung ihrer Proben würde 190 Euro kosten, nicht näher beziffert werden die Kosten für einen Transport in eine andere Stammzellenbank. Auf Anfrage dieser Zeitung heißt es dazu bei der FamiCord-Gruppe: „Vorausgesetzt, die Lagerung der Proben erfolgt in einer unserer eigenen Einrichtungen/Partnereinrichtungen in Europa und der Kunde unterzeichnet einen neuen Lagervertrag mit uns, sollten die Kosten für Freigabe und Transport im Bereich von EUR 290,- liegen. Unter der Annahme, dass die Lagerung in einer Drittanbieter-Anlage erfolgt, berechnen wir in der Regel mehr, abhängig von der Anzahl der biologischen Materialien. In einem solchen Fall sind einfach mehr Unterlagen erforderlich, die überprüft werden müssen, sowie die mit der dritten Partei vereinbarten Transportbedingungen.“

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Keine Kosten kämen hingegen auf sie zu, wenn sie die Stammzellen spende. Auf die Frage dieser Zeitung, ob Spender erführen, was nach einer Spende mit ihren Stammzellen passiert, antwortet die Geschäftsführung von FamiCord: „Im Falle einer Spende sollte angegeben werden, für welchen Zweck die Spende bestimmt ist: allgemeine Spende für jeden Zweck, F&E (Forschung und Entwicklung, Anm. d. Red.), öffentliche Bank oder andere. Es ist jedoch möglich, die Familie darüber zu informieren, was mit der gespendeten Probe geschieht.“

Für Mara steht nach ihren Recherchen eines fest: „Mein Vertrauen in diese mir bislang unbekannte Firma ist leider gering. Ich hätte mir beispielsweise gewünscht, dass FamiCord selbst die Initiative ergriffen hätte, uns als Kunden über den neuen Ort der Lagerung zu informieren. Am liebsten würde ich meine Stammzellen zwar weiterhin einlagern, aber es scheint ja noch nicht mal jemand für deren Unversehrtheit garantieren zu können.“

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Warum FamiCord Maras Eltern nicht über den Verbleib informierte, erklärt die Firma auf Anfrage so: „Zusammen mit dem biologischen Material, das ursprünglich von der insolventen Cryo-Save AG (also einschließlich Cryo-Care) gelagert wurde, hat PBKM (Polski Bank Komorek Macierzystych Anm.d.Red.) –FamiCord Zugang zu bestimmten medizinischen und persönlichen Daten erhalten. Diese Daten sind gesetzlich verpflichtet, von der Mobilfunkbank aufbewahrt zu werden. Leider waren die Daten, die die insolvente Cryo-Save AG der PBKM zur Verfügung stellte, von ziemlich schlechter Qualität. Vor allem der Teil, der mit einigen Kontaktdaten zusammenhängt, wie z.B. E-Mail-Adressen oder Telefonnummern wurden teilweise nicht aktualisiert oder fehlten sogar.“ Man habe sich nach besten Kräften bemüht, alle Familien zu informieren, sei sich aber sicher, dass man nicht alle erreicht habe, heißt es weiter.

Am Ende bleiben für alle viele Fragen offen

Für Mara und ihre Familie bleiben viele Fragen. Vor allem eines liegt ihnen am Herzen: „Wir haben in all diesen Jahren zum Glück nicht auf die Stammzellenspende zurückgreifen müssen. Aber was ist mit den Menschen, denen es anders ergangen ist und vor allem all denen am Niederrhein, die wie wir vor 20 Jahren auf Rat unseres Gynäkologen auch einen Vertrag mit Cryo-Care abgeschlossen haben und noch immer nicht wissen, dass es diese Firma gar nicht mehr gibt?“

Inzwischen hat sich Mara entschieden, ihr Nabelschnurblut trotz alledem weiter bei FamiCord einzulagern – auch vor dem Hintergrund der voraussichtlichen Kosten und den damit verbundenen Risiken eines Transportes.