Kreis Wesel. Die Heizperiode steht vor der Tür. Inwieweit hat die Energiekrise Verbraucher im Kreis Wesel sensibilisiert, zu sparen? Experten berichten.

Der September war ungewöhnlich warm am Niederrhein, doch ab dem Wochenende dürfte der Oktober sich allmählich in den Herbstmonat verwandeln, der er eigentlich ist. Prognosen zufolge sinken die Temperaturen. Der ein oder andere wird es dann zuhause wärmer haben wollen. Die vergangene Heizperiode stand noch sehr deutlich im Zeichen der Energiekrise – mit den hohen Preisen für Strom und Gas, der Sorge vor einer Mangellage. Das hatte eine Wirkung, weiß Akke Wilmes: 25 bis 30 Prozent weniger Gas und Öl sei verbraucht worden. Der Energieberater führt das auf zwei Effekte zurück: den milden Winter und ein geschärftes Bewusstsein.

Energieberater im Kreis Wesel: Verbrauch gut dokumentieren

Und wie ist die Lage ein Jahr später? „Zwiegespalten“, wegen der Gaspreisbremse sei die Belastung nicht so massiv ausgefallen wie erwartet, manch einer habe aber zu diesem Zeitpunkt einen besonders teuren Vertrag abgeschlossen. Diese Menschen suchten mitunter nun Rat bei Wilmes, etwa zu weiteren Einsparmöglichkeiten wie dem Dämmen der Rollladenkästen oder zum Lüften oder zur Bedienung. Sein Tipp: so viel wie möglich dokumentieren, am besten monatlich, um den Verbrauch auch mit Zahlen gut bewerten zu können, das Verhalten analysieren, auch auf die Technik schauen. Es komme auf Feinheiten an und es gebe nicht den pauschalen Tipp zum Energiesparen, das sei individuell von verschiedenen Faktoren abhängig, betont der Energieberater im Kreis Wesel.

Ein wenig ist aber die Energiekrise im vergangenen Herbst in den Köpfen hängen geblieben. „Ein Sparverhalten ist weiter spürbar“, sagt Judith Dohmen-Mick, Pressesprecherin der Stadtwerke Kamp-Lintfort. Im vergangenen Winter sei der Strom und Gasverbrauch bis zu einem Drittel gesunken und auch jetzt gehe sie davon aus, dass die Verbraucher weiter zurückhaltend mit Energie umgehen. „Das hat mit dem nach wie vor hohen Preis zu tun, der Erfolg ist ja spürbar.“ Sie denke aber auch, dass die Menschen jetzt bewusster mit Energie umgehen, ein nachhaltig verändertes Verhalten zeigen. Wie sich das genau auswirkt, lässt sich erst im Frühjahr beziffern.

Wesels Stadtwerke-Chef: Viele orientieren sich beim Verbrauch am Vorjahr

Rainer Hegmann, Wesels Stadtwerke-Chef, bestätigt den Trend. „In den ersten neun Monaten des Jahres sind die Verbraucher deutlich sparsamer gewesen als in vielen Jahren davor“, sagt er auf Anfrage, „viele orientieren sich am Vorjahr“. Das sei auch gut so, „die beste Kilowattstunde ist die, die nicht verbraucht wird“, so Hegmann. Jetzt steht die Heizungsperiode an, im vergangenen Winter haben seine Stadtwerkekunden rund 20 Prozent eingespart. Obwohl die Stadtwerke gern verkaufen, habe die sichere Versorgung und Energieeffizienz Priorität.

Enni, Energieversorger aus Moers, stellt ebenfalls fest, „dass unsere Kundinnen und Kunden seit dem Eintreten der Energiekrise Energie deutlich bewusster einsetzen“. In den Kundenzentren sei das Interesse an Energiespar-Themen stark, „aus dem Netzbereich wissen wir, dass sich zahlreiche Kunden mittlerweile auch bei der Gebäudeheizung umorientiert haben und beispielsweise auf Wärmepumpen anstelle der ursprünglichen Gasheizung für die Gebäudeheizung einsetzen, bestehende Anlage warten und auch effizienter einstellen“, teilt Pressesprecher Herbert Hornung auf Anfrage mit.

Bei Fernwärme und Gas stellt Enni nach einer aktuellen Auswertung einen weiter reduzierten Verbrauch fest. „Beim Vergleich der Jahre 2022 und 2023 zum Stichtag 1. Oktober lagen unsere Wärmeabsätze rund neun Prozent und der Gasabsatz rund 13 Prozent unter dem Vorjahr“, diese Berechnung sei bereinigt „um die sogenannten Gradtagszahlen, die Jahre hinsichtlich der Temperaturen vergleichbar machen“.

Wegen der Diskussion um das Heizungsgesetz war die Verunsicherung zuletzt groß, „nun haben sich die Anfragen eher reduziert“, stellt Akke Wilmes fest. Mit Blick auf die Förderung sei die Gesetzeslage noch nicht klar, „viele warten erst mal ab“. Auch wenn aber im kommenden Jahr eine Gas- oder Ölheizung noch wie gewohnt repariert werden kann, warnt der Experte davor, die Planung auf die lange Bank zu schieben. „Bereitet euch darauf vor“, so sein Ratschlag, wenn es so weit ist, seien die Kapazitäten der Handwerker begrenzt. „Je früher man weiß, was man will, umso einfacher kann man planen.“

Lage der Wirtschaft am Niederrhein: IHK sieht Verunsicherung der Betriebe

Die Energiekrise hat im vergangenen Jahr auch die Wirtschaft am Niederrhein stark belastet: Vielen Unternehmen sei es gelungen, Energie einzusparen, heißt es von der Niederrheinischen IHK. „Einige der Betriebe, die sehr viel Energie verbrauchen, mussten dennoch ihre Produktion drosseln“, konnten diese danach nur zum Teil wieder hochfahren. Die Folge: „Durch die hohen Kosten leidet ihre Wettbewerbsfähigkeit “, einige fürchteten um ihre Existenz.

Und der Ausblick? Die Preise haben sich wieder etwas beruhigt, die IHK erwartet keine Spitzen wie im vergangenen Jahr, „gut gefüllte Gasspeicher und milde Temperaturen haben hier ihren Beitrag geleistet“. Unternehmen berichteten aber, „dass sie aufgrund der fehlenden klaren Linie der Bundesregierung in der Energiepolitik verunsichert sind. Sie schieben deshalb Investitionen auf. Darunter leidet auch die Energiewende.“

Infos zur Energieberatung gibt es hier: www.kreis-wesel.de/de/themen/energieberatung/