Moers/Kreis Wesel. In Moers haben sich Kreis Weseler Wohlfahrtsverbände zusammengeschlossen und informieren niederschwellig bei Geldsorgen - ihre Erfahrungen.

Gestiegene Preise für Lebensmittel, Kleidung, Miete und Energie, schlicht fürs Leben: Viele Menschen spüren die Folgen der Krise im Portemonnaie – und bei manchen ist die Not besonders groß. Dabei gibt es Unterstützungsleistungen, die sie vielleicht in Anspruch nehmen können: „Menschen haben Hemmungen in Beratungen zu gehen“, sagt Kai Garben, Geschäftsführer bei der Grafschafter Diakonie. Um diesen Menschen zu helfen und ihnen ein niederschwelliges Angebot zur Orientierung zu geben, haben die Wohlfahrtsverbände Awo, Caritas, DRK, Paritätischer und Diakonie mit Unterstützung aus dem Stärkungspakt NRW in Moers die Kampagne „Schäm dich nicht! Ruf an“ ins Leben gerufen.

Und nach knapp zwei Monaten eine erste Bilanz gezogen: 50 Anrufe sind bislang über die kostenlose Hotline, welche im Rahmen der Kampagne auf Flyern und Plakaten sowie bei Marktbesuchen in Moers bekannt gemacht wird, eingegangen. Auch wenn dies schwerpunktmäßig in Moers beworben wird, „es wird niemand abgelehnt“, betont Bernd Riekemann, Vorstand Fachpolitik der Awo im Kreis. Aktuell habe das DRK „Telefon-Dienst“, monatlich werde dieser weitergegeben.

Kai Garben (Diakonie): „Das System ist unübersichtlich geworden“

Die Gruppe der Anrufenden sei durchmischt, sagt Kevin Rheinfelder (DRK). Und auch die Problemlagen sind vielseitig, haben die Verbände festgestellt, es gehe um Pflegekosten, Stromverbrauch, Wohngeldfragen, generell Transferleistungen – „die ganze Bandbreite der Sozialberatung“, so Brunhild Demmer, Vorstandsvorsitzende beim Caritasverband Moers-Xanten. Die Ratsuchenden werden entsprechend weitervermittelt.

Von links: Kevin Rheinfelder (DRK), Bernd Riekemann (Awo), Brunhild Demmer (Caritas) und Kai Garben (Diakonie).
Von links: Kevin Rheinfelder (DRK), Bernd Riekemann (Awo), Brunhild Demmer (Caritas) und Kai Garben (Diakonie). © nrz

„Die Not ist wirklich da“, habe er einmal mehr bei Gesprächen mit Verkäufern an Marktständen erfahren, sagt Kai Garben. Der Bedarf zeige sich auch beim gestiegenen Zulauf in den Sozialberatungsstellen, so Demmer. Die Krise hat nicht nur die alltäglichen Kosten steigen lassen. „Die Pflegekosten sind mit einem Eigenanteil von 2800 Euro pro Monat explodiert“, macht Riekemann deutlich. „Wer kann sich das leisten?“ Zugleich sind die Hilfeleistungen nicht immer einfach zu überblicken: „Das System ist unübersichtlich geworden, nicht allen ist es möglich, diese Komplexität zu durchdringen“, sagt Garben.

Kampagne läuft zum Jahresende aus – Verbände im Kreis Wesel wollen dann beraten

Armut, Isolation, Einsamkeit – eins kann zum anderen führen, „ein Teufelskreis“, so AWO-Sprecherin Anne Bell. Die Wohlfahrtsverbände wollen mit ihrer Kampagne hilfsbedürftige Menschen ansprechen, die sie noch nicht erreichen. Es sei inzwischen auch manch einer betroffen, der bislang noch irgendwie zurecht gekommen sei, „die Gruppe im Verborgenen“, sagt Demmer. Viele – besonders ältere Menschen – scheuten sich, Hilfe anzunehmen. Es gebe die Wahrnehmung: Wer Sozialleistungen in Anspruch nehme, beute das System aus. Doch die Wohlfahrtsverbände weisen auf die Bedeutung von Sozialstaat und Solidaritätsgemeinschaft hin, für den Fall das jemand in Not gerate. Demmer betont das starke soziale Netzwerk, appelliert zugleich aber auch an die Eigenverantwortung.

150 Millionen Euro hat das Land NRW zur Armutsbekämpfung infolge des Ukraine-Krieges bereitgestellt, doch so richtig scheint es die Menschen noch nicht zu erreichen. In Moers ist allerdings die „Schäm dich nicht! Ruf an“-Kampagne daraus erwachsen – doch befristet ist diese bis zum Ende des Jahres. Über die Zeitschiene sind die Verbände nicht glücklich, die Not höre dann nicht auf, „die Nebenkostenabrechnungen kommen dann noch“, sagt Brunhild Demmer. Die Wohlfahrtsverbände wollen am Ende der Kampagne auswerten und überlegen, wie sie weiter mit der Rufnummer verfahren wollen. Ihr Ziel ist nämlich auch: das bestehende Angebot, die Sozialberatung vor Ort, nachhaltig zu stärken und zu sichern. „Wir sind da“, sagt Garben.

Sozialberatung im Kreis Wesel: Hier gibt es Infos und Anlaufstellen

Das Geld für die Miete reicht nicht, die Stromkosten sind zu hoch, es droht Kinderarmut: Im Rahmen von „Schäm dich nicht! Ruf an“ können Hilfesuchende derzeit montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr Infos einholen: 0176/18010000. Außerdem informieren die Verbände noch auf den anstehenden Märkten in Moers (Repelen und Meerbeck). Internetseite: www.ruf-an-moers.de.

Auch darüber hinaus können die Verbände zu entsprechenden Fragen kontaktiert und aufgesucht werden, Infos gibt es beispielsweise auf den Internetseiten. Awo: www.awo-kv-wesel.de/, Caritas: www.caritas-moers-xanten.de/, caritas-wesel.de, Diakonie: www.grafschafter-diakonie.de, diakonie-din.de/ Deutsches Rotes Kreuz: www.drk-niederrhein.de/index.html.