Kreis Wesel. Bremst die Krankenhaus-Reform die Patientenversorgung im Kreis Wesel aus? Eine Stellungnahme an die Bezirksregierung beleuchtet die Nachteile.
Weniger Wettbewerb, mehr Spezialisierung, mehr Kompetenz – so lautet das Ziel der Krankenhausreform, die NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann umsetzen will. Seinen Willen dazu hat Laumann jüngst im Interview mit der Ärztezeitung unterstrichen und hinzugefügt, dass er es in diesem Reformprozess nicht „jedem Krankenhaus oder Bürgermeister recht machen“ könne. Gleichzeitig verspricht er, sehr genau darauf zu achten, dass die Vorgabe eingehalten werde, „dass 90 Prozent der Bevölkerung in 20 Minuten ein Krankenhaus erreichen können“.
Vor allem die Landbevölkerung soll er dabei im Blick haben. Was das für den Kreis Wesel bedeuten wird, ist noch nicht klar. In einer Stellungnahme, zu der sie aufgerufen wurde, hat die Kreisverwaltung in Absprache mit der Kommunalen Gesundheitskonferenz des Kreises (KGK) alle Aspekte aufgeführt, die für den Kreis Wesel und seine Bevölkerung von Nachteil sein könnten, sollten die Reformpläne so umgesetzt werden. Wie zum Beispiel die demografische Entwicklung.
Krankenhaus-Reform: Hoher Altersdurchschnitt im Kreis Wesel soll beachtet werden, fordert die Kreisverwaltung
Der Kreis Wesel habe den zweithöchsten Altersdurchschnitt in NRW, heißt es in der Stellungnahme, die im nächsten Gesundheitsausschuss vorgestellt wird. Dadurch sei mit einem stetigen Anstieg der Erkrankungen älterer Menschen zu rechnen, die stationär versorgt werden müssten. Sowohl die Anfahrtswege für ältere Patienten als auch eine problemlose Besuchsmöglichkeit für Angehörige würden nicht ausreichend berücksichtigt. Zumal angesichts der erwarteten höheren Fallzahlen auch eine nahtlose Behandlung vonnöten sei.
Als Beispiel werden die beiden Spezialstationen für Schlaganfälle - sogenannte Stroke Units – auf beiden Rheinseiten genannt, zum einen im St. Josef Krankenhaus in Moers, zum anderen im evangelischen Krankenhaus in Wesel. Beide müssten genauso wie die allgemeine Neurologie gestärkt werden, anstatt die Fallzahlen zu kürzen.
Vor allem der Zeitfaktor spielt in einem Flächenkreis wie Wesel eine große Rolle. Mit mehr als 1000 Quadratkilometern Fläche ist er größer als Berlin, beide Rheinseiten werden aber nur mit einer einzigen Brücke verbunden. Diese könne bei schweren Fällen und kritischen Lagen zum Nadelöhr werden, falls eine benötigte medizinische Leistung nur auf einer Rheinseite angeboten würde, so die Vermutung. „Um eine stärkere Berücksichtigung der geografischen Lage des Kreises wird daher gebeten“, schreibt der Kreis.
Ein anderer Aspekt, den der Kreis Wesel anführt, ist die Zertifizierung. Durch Fallzahlenreduzierungen oder Streichung ganzer Leistungsgruppen könnte anerkannte Kompetenz verloren gehen, so die Sorge. Dann etwa, wenn ein Krankenhaus seine Zertifizierung für eine bestimmte anerkannte Therapie verliert, weil es nur knapp die vorgegebene Fallzahl verfehlt. Außerdem so der Kreis seien die Leistungsgruppen Bedingung für ärztliche Aus- und Weiterbildungsprogramme. „Fehlen bestimmte Leistungsgruppen ist die Ausbildungsbefähigung der Krankenhäuser gefährdet, was bei dem derzeitigen Ärztemangel nicht tolerabel ist.“ Auch hier bittet der Kreis Wesel dringend „eine entsprechende Berücksichtigung“.
Was es bringt, wird sich zeigen. Zunächst wird die Bezirksregierung alle eingegangenen Stellungnahmen auswerten und laut Verwaltungsvorlage „ein abschließendes Votum zur Krankenhausplanung für die jeweiligen Planungsregionen abgeben“. Dann kann der Kreis Wesel erneut Stellung nehmen. Das letzte Wort zur medizinischen Versorgung im Kreis Wesel hat aber das Gesundheitsministerium.
Kreis Wesel fordert eine bessere Finanzierung für die Kliniken
Obwohl nicht unmittelbarer Bestandteil der Reformpläne, geht der Kreis Wesel in seiner Stellungnahme auch auf die Finanzausstattung der Krankenhäuser ein. Diese hatten bereits im Juni auf ein strukturelles Defizit hingewiesen und unter anderem über eine seit Jahren zu geringe Landesfinanzierung geklagt, die erst nachfolgend finanziert werde. Die Krankenhäuser müssten in Vorleistung gehen. Dies und die aktuellen Preis- und Lohnsteigerungen fänden keine ausreichende Beachtung.
Im Juni äußerte der Krankenhaus-Zweckverband Niederrhein die Sorge, dass einige Häuser in die Insolvenz rutschen könnten. Der Kreis Wesel stellt sich in Abstimmung mit der KGK ausdrücklich an die Seite der Krankenhäuser und fordert Nachbesserung. Dabei weise man aber auch darauf hin, „dass die Vertreter der Krankenhäuser die Notwendigkeit der Konzentration bestimmter Angebote nachvollziehen können und da, wo dies aus regionaler Sicht sinnvoll möglich ist, auch unterstützen“.