Herne. Siemens will sein Werk an der Südstraße in Herne schließen. Das teilte die Unternehmensspitze am Freitag überraschend mit. Den knapp 175 Mitarbeitern soll ein Job in einem anderen Werk der Gruppe angeboten werden.

Das Siemens-Werk hat eine bewegte Geschichte: Mit der Axmann & Co. GmbH wurde 1915 der Getriebe-Standort Herne gegründet, was folgte, waren mehrere Besitzer-Wechsel und später der stetige Kampf um Arbeitsplätze. Nun drohen noch vor dem 100. Geburtstag die Lichter auszugehen.2005 gab es den womöglich letzten Besitzer-Wechsel: Siemens hatte die Flender Holding (Bocholt) übernommen und das Herner Werk, in dem zuletzt noch Getriebe etwa für Windkraftanlagen oder Züge repariert oder ersetzt wurden, in seine Sparte Getriebe- und Kupplungstechnologie integriert.

Dort plant der Siemens-Konzern nun Veränderungen. Ziel sei, die „dauerhafte Nachfrageschwäche bei Windkraftgetrieben durch Wachstum im Industriegeschäft zu kompensieren“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Hierfür sollen unter anderem bislang getrennte Fertigungseinheiten verschmolzen sowie Logistik- und Verwaltungsaufgaben zusammengeführt werden. Für Herne bedeutet das: Die Jobs sollen an die großen Getriebe-Standorte nach Bocholt und Voerde verlagert, die Fertigung an der Südstraße aufgegeben werden. Dadurch, so Siemens weiter, soll die Wettbewerbsfähigkeit erhöht, sollen Wachstumspotenziale vor allem im Industriegeschäft erschlossen werden.

Sevice und Montage gehen nach Voerde

Konkret: Die Teilefertigung und Härterei sollen ins 80 Kilometer entfernte Bocholt umziehen, Siemens bietet den 75 Mitarbeitern dort neue Arbeitsplätze an. Die Funktionen Service und Montage sollen im Werk in Voerde eine neue Heimat finden, auch diese 100 Mitarbeiter sollen am 70 Kilometer entfernten Standort unterkommen können. Zoran Aleksic, Leiter des Standortes Herne, unterstützt die Verlagerung „in vollem Umfang“, eröffne er der Belegschaft doch auch „in Zukunft neue Möglichkeiten“.

Jo Szczepaniak, Siemens-Betriebsratschef an der Südstraße, kann den Schritt nicht nachvollziehen. Die Verlagerungspläne seien „ein Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter“, die sich Tag und Nacht für das Unternehmen einsetzten, sagte er gegenüber der WAZ. Die Belegschaft sei durch die Nachricht am Freitagmorgen kalt erwischt worden – viele seien angeschlagen nach Hause gegangen.

IG Metall will für den Erhalt des Werkes kämpfen

Eva-Maria Kerkemeier, die IG Metall-Chefin, nennt die Siemens-Pläne „brutal“ – für den Standort Herne, aber auch für die Mitarbeiter. Was Letztere angeht: Lange nicht jeder, so die 1. Bevollmächtigte der Gewerkschaft, könne sich ein Pendeln zum neuen Arbeitsplatz leisten. Sie kündigt an, für den Erhalt des Werkes zu kämpfen, das in der Branche einen erstklassigen Ruf besitze. Schon 1993, erinnert Kerkemeier, habe der Kampf zu einem Teil-Erfolg geführt.

Zur Erinnerung: Auch 1993 wollte das Unternehmen, seinerzeit noch unter der Flender-Flagge, den damals gut 270 Mitarbeiter starken Standort schließen. Am Ende stand das Aus für die Getriebe-Produktion und für über 200 Mitarbeiter, was blieb, war aber die Getriebe-Reparatur mit 60 Arbeitsplätzen. Nun steht auch diese, längst wieder stark angewachsen, auf der Kippe.